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Second Victim: Traumatisierte Mitarbeiter durch Hilfsangebote unterstützen

Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Hälfte aller Behandler nach der Covid-19-Pandemie selbst traumatisiert ist und Hilfe benötigt. Diese „Second Victims“ sollen mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Hälfte aller Behandler nach der Covid-19-Pandemie selbst traumatisiert ist und Hilfe benötigt. Diese „Second Victims“ sollen mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Der Begriff „Second Victim“ beschreibt eine an der Versorgung von Patienten beteiligte Person, die durch eine außergewöhnliche Situation in der Behandlung selbst traumatisiert wird. Dieses in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannte, aber weit verbreitete Phänomen wird durch die Covid-19-Pandemie verschärft und birgt das Risiko, Gesundheitssysteme durch eine ausgeprägte psychische Überlastung der Behandelnden zusätzlich unter Druck zu setzen. Das stellt sowohl für die Patientensicherheit als auch für die Sicherheit der Mitarbeitenden eine ernstzunehmende Gefahr dar. „Nur durch Aufklärung und Bewusstseinsbildung schaffen wir es, die Sicherung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens zu erreichen“, sagt Dr. Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform für Patientensicherheit.

Gravierende Belastung

Um auf dieses Phänomen und Entlastungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, organisierten die Österreichische Plattform Patientensicherheit und der Verein Second Victim einen Aktionstag in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien, dem Wiener Gesundheitsverbund und dem Wiener Städtische Versicherungsverein. Ziel war es, einerseits für das Phänomen zu sensibilisieren und Bewusstsein zu schaffen. Andererseits wurden konkrete Projekte vor den Vorhang geholt und Good-Practice-Beispiele sowie praktische Hilfestellungen aufgezeigt. „Unser Fokus liegt darauf, mit der Ist-Situation besser zurechtzukommen. Es gibt Maßnahmen, die leicht umsetzbar sind und für Second Victims eine enorme Entlastung darstellen würden“, sagt Dr. Eva Potura, Vorsitzende des Vorstands des Vereins Second Victim.
Second Victims leiden an Schlaflosigkeit, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Sie verlieren an Selbstvertrauen und haben Schuldgefühle sowie Flashbacks, in denen sie die traumatisierenden Ereignisse wieder erleben. Häufig führen die Symptome dazu, dass Second Victims vermehrt Alkohol sowie Medikamente missbräuchlich konsumieren. Die Auswirkungen können so extrem sein, dass sie sogar zum Suizid führen. Dass sich viele fragen, ob das überhaupt der richtige Beruf für sie ist, stellt für das Gesundheitssystem eine negative Entwicklung dar.

Unterstützung durch Hilfsangebote

Prophylaktisch können regelmäßige Zeiten für gemeinsame Pausen und informelle Meetings sowie Schulungen und Fortbildungen bezüglich Stress- und Resilienztrainings eine große Unterstützung sein. Medizinisches Personal sollte über das Phänomen informiert werden und wissen, wann sie Hilfe in Anspruch nehmen können. Führungskräfte müssen ebenso aufgeklärt werden und bemüht sein, eine Vertrauenskultur zu schaffen. Entscheidend für Second Victims ist, dass sie sofort akute Hilfe erhalten. Geschulte Psychologen, die wöchentlich Stationen besuchen, könnten die rasche Unterstützung bieten, die viele in der Situation brauchen. Kollegiale Hilfe (KOHI) und Peer-Systeme sind bereits in einigen Krankenhäusern etabliert und ermöglichen eine Entlastung durch Gespräche mit Kollegen. Eine weitere Unterstützung stellen Telefonhotlines dar. Eine langfristige und arbeitgeberunabhängige Hilfe wird von Beratern gewährleistet, die Second Victims einen sicheren Ort bieten, um anonym über ihre Situation zu sprechen. rh

Aktionstag zeigt Auswege auf

Der Aktionstag „Second Victim“ fand am Mittwoch, dem 11. Mai 2022 im Van Swieten Saal der Medizinischen Universität Wien statt. Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann online unter folgendem Link nachgesehen werden: www.plattformpatientensicherheit.at/bildung-2022.php

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Foto: istockphoto/andresr