Die veröffentlichte Neuauflage der S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist vor allem für die Altersmedizin ein echter Zugewinn. „Sie ist eine der wenigen Leitlinien mit dezidierter Adressierung der Geriatrie in einem eigenen substanziellen Schwerpunktkapitel. Das hat eine große Bedeutung, wenn man sich vor Augen führt, dass mehr als 20 % der Betagten eine pAVK haben, sie ist also eigentlich eine Alterskrankheit”, sagt Dr. Christoph Ploenes, Chefarzt im Fachzentrum für Angiologie der Schön Klinik Düsseldorf und Leiter der Arbeitsgruppe Gefäßerkrankungen/Angiologie bei der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Stellvertretend für die Fachgesellschaft hat er zusammen mit Dr. Hartmut Görtz neueste wissenschaftliche Erkenntnisse geprüft und die relevanten Ergebnisse im Kapitel „Die pAVK in der Geriatrie“ zusammengefasst. Hier werden konkrete konsentierte Empfehlungen im Umgang mit älteren Patienten mit einer pAVK gegeben, die aufgrund der besonderen Situation, wie z. B. Gebrechlichkeit (Frailty), teils stark von sonstigen Standardempfehlungen abweichen. Es waren 23 Fachgesellschaften an dem wissenschaftlichen Werk beteiligt, das zunächst bis September 2029 gültig ist.
Folgemorbidität verhindern
Die pAVK, eine klinische Manifestationsform der Arteriosklerose, betrifft meist die Beindurchblutung, was zunächst zu belastungsabhängigen Muskelschmerzen beim Gehen führen kann. Allerdings verläuft die Krankheit im Alter häufig diesbezüglich asymptomatisch. „Deshalb sollte man in einer geriatrischen Untersuchung oder in einer medizinischen Untersuchung alter Menschen in jedem Fall auch bei völliger Beschwerdefreiheit die Fußpulse tasten”, sagt Ploenes und fasst damit eine der wichtigen Empfehlungen in der Leitlinie zusammen. Auf diese Weise kann unter Umständen eine Folgemorbidität z. B. durch Lagerungsmaßnahmen verhindert werden, etwa Fersendekubitus bei bettlägerigen Menschen oder mögliche Wundheilungsstörungen, falls ein Eingriff im Fußbereich oder Sprunggelenk geplant ist.
Geplante Eingriffe abwägen
Neu in der Leitlinie ist auch die Erkenntnis, dass bei geriatrischen Patienten mit fortschreitender pAVK nicht nur die Komorbidität prognostisch relevant sein kann, sondern auch Funktionseinschränkungen im täglichen Leben. „Menschen mit fortgeschrittenem Frailty-Syndrom haben beispielsweise nicht nur ein höheres Risiko zu stürzen, ein Delirium zu entwickeln oder inkontinent zu werden, sondern allgemein auch eine schlechtere Prognose bei Eingriffen”, erklärt Ploenes. Was zu der wichtigen Empfehlung führt, geplante Eingriffe genauer abzuwägen, vor allem im Einklang mit dem primären Therapieziel der Beschwerdelinderung. „In sehr vielen von uns analysierten Registerstudien und retrospektiven Studien hat sich unisono herausgestellt, dass diese Patientengruppe von der Operation, also dem Wiederherstellen der Durchblutung, nicht profitiert hat, im Gegenteil.“ Aber nicht nur bei der Therapie, bereits bei der Diagnostik sei ein anderes Vorgehen als beim Standard ratsam: „Zum Beispiel ist dann nicht ohne Weiteres ein CT angezeigt, erst recht nicht als Screening”, so Ploenes.
Um diese besonders vulnerable Gruppe älterer Menschen mit pAVK noch besser beziehungsweise differenzierter versorgen zu können, ist insgesamt mehr geriatrische Kompetenz in der Gefäßmedizin nötig, auch in der (Früh-)Rehabilitation. „Es ist sehr anzustreben, dass wir eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Experten erreichen, was zum Beispiel in der Alterstraumatologie schon auf einem guten Weg ist. Gerade bei unserer Patientengruppe sind die personalisierte Medizin und eine Differenzialtherapie von besonders großer Bedeutung”, sagt Ploenes. „Um das zu erreichen, ist eine weitere interdisziplinäre und interprofessionelle Vernetzung nötig. Daher arbeiten wir jetzt unter interdisziplinärer Herausgeberschaft von Angiologie, Gefäßchirurgie und Geriatrie an einem Buch, das das Thema in der Breite abbildet und zudem konkrete Handlungsempfehlungen und Skizzen von Zukunftsperspektiven aufzeigt.” rh
Cholesterinforschung
In einer Studie mit rund 1500 Menschen mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko hat das Vorarlberg Institute for Vascular Investigation and Treatment (VIVIT) nachgewiesen, dass das sogenannte Remnant-Cholesterin, zusätzlich zum LDL-Cholesterin, das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse und Tod vorhersagt.
Es ist seit Längerem bekannt, dass bei vielen Personen das Restrisiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, immer noch hoch sein kann, selbst wenn das LDL-Cholesterin mittels Therapie bereits auf ein niedriges Level gesenkt wurde. Die aktuellen Daten zeigen eindeutig, dass Remnant-Cholesterin dieses Risiko bei den betroffenen Personen sehr gut vorhersagen kann und dabei unabhängig vom etablierten LDL-Cholesterin eine Gefahr für die Gefäße darstellt.
Remnant-Cholesterin wird in der Labordiagnostik zur erweiterten Risikoabschätzung bei Fettstoffwechselstörungen und zur kardiovaskulären Prävention eingesetzt. Es handelt sich dabei um den Cholesterinanteil, der in den Überresten von Fettpartikeln im Blut enthalten ist. Diese Remnants entstehen beim Abbau von Triglycedriden in VLDL und IDL-Partikel und gelten als unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Originalpublikation: Drexel H, Mader A, Larcher B, Festa A, Vonbank A, Fraunberger P, Leiherer A, Säly C.: Remnant Cholesterol and Long-Term Incidence of Death in Coronary Artery Disease Patients. Atherosclerosis. November 2024:119048. doi:10.1016/j.atherosclerosis.2024.119048















