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Rechtliche Stolpersteine der Telemedizin

Gerade in Zeiten von Covid-19 erfolgen ärztliche Diagnosen und Behandlungen immer öfter in räumlicher und zeitlicher Distanz zu den Patienten. Doch wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Reichen diese für telemedizinische Behandlungen aus? Oder besteht mitunter ein Haftungsrisiko?

Gerade in Zeiten von Covid-19 erfolgen ärztliche Diagnosen und Behandlungen immer öfter in räumlicher und zeitlicher Distanz zu den Patienten. Doch wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Reichen diese für telemedizinische Behandlungen aus? Oder besteht mitunter ein Haftungsrisiko?

Die (unbeliebte) Wahrheit zuerst: Mit der rechtlichen Zulässigkeit der Telemedizin verhält es sich wie mit vielen Rechtsfragen: Es kommt darauf an (gemeint ist der Einzelfall). Eine pauschale Zulässigkeit telemedizinischer Behandlungen gibt es (noch) nicht. Hier hinkt die Rechtsordnung noch der Praxis hinterher. Nur sehr vereinzelt existieren klare Regeln. Darüber hinaus bleibt es bei Absichtserklärungen der Systempartner. Doch wie sieht es nun in der rechtlichen Praxis aus? Welche medizinischen Tätigkeiten können zulässigerweise auf telemedizinischem  Weg erbracht werden und bei welchen ist noch Zurückhaltung geboten?

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz

In § 49 Absatz 2 des Ärztegesetzes heißt es: „Die Ärztin/Der Arzt hat ihren/seinen Beruf persönlich und unmittelbar […] auszuüben.“ In dieser Bestimmung manifestiert sich der Grundsatz der unmittelbaren Behandlung von Patienten. Wie sich dieses Unmittelbarkeitserfordernis äußert, darüber diskutieren bereits die Rechtsgelehrten (stellvertretend Georgina, RdM 2020 05a, Seite 255 ff mwV). Naheliegend ist, dass mit „unmittelbar“ eine gewisse räumliche und zeitliche Nähe gemeint ist. Dieser Unmittelbarkeitsgrundsatz wird vielfach als eine maßgebliche Schranke für die Zulässigkeit telemedizinischer Behandlungen gesehen.

Telemedizin als Rechtsbegriff

Rechtlich ist der Begriff der Telemedizin in Österreich (noch) schwer greifbar. Tatsächlich kommt er in österreichischen Rechtsvorschriften nur vereinzelt vor (etwa in der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens; dort in Artikel 7 über die Gesundheitstelematik, auch „E-Health“). Eine wirklich belastbare Definition ist daraus aber auch nicht ersichtlich. Hilfestellung könnte hier die Auskunft des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (auch „Sozialministerium“) bieten.

Unterschiedliche Definitionsansätze

Unter Telemedizin versteht man im Sozialministerium demnach „die Bereitstellung oder Unterstützung von Leistungen des Gesundheitswesens mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), wobei Patientin bzw. Patient und Gesundheitsdiensteanbieter (GDA, das sind insbesondere Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser und Pflegepersonal) oder zwei GDA nicht am selben Ort anwesend sind“. Die Wortfolge „nicht am selben Ort anwesend“ ist in dieser Definition die Schlüsselbotschaft für den Begriff. Damit ist wiederum der Bogen zum oben erwähnten Unmittelbarkeitsgrundsatz und seiner Schrankenfunktion gespannt.

Die einschlägige Rechtsliteratur ist in ihrer Definition noch kürzer. Sie versteht unter Telemedizin „die Übertragung von Daten aller Art mittels Telekommunikationsmedien zu medizinischen Zwecken“ (Wallner in Resch/Wallner (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht3 (2020) Berufsrecht der Ärzte Rz 166). Mit dieser Definition ist dem Praktiker aber wohl wenig geholfen. Zu weitschichtig sind die Interpretationsmöglichkeiten, welche Tätigkeiten unter diese Definition fallen können und welche nicht. Welche telemedizinischen Methoden aber als zulässig gelten und welche nicht, wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags noch erörtert.

Telemedizin und Datensicherheit

Nebenbei bemerkt ist eine Voraussetzung für eine telemedizinische Behandlung die sichere Übertragung medizinischer Daten für die Prävention, Diagnose, Behandlung und Weiterbetreuung von Patienten in Form von Text, Ton und/oder Bild. Für die rechtlichen Vorgaben bei der Übertragung von medizinischen Daten wird daher auf den Fachbeitrag des Autors dieses Artikels in der letztjährigen Ausgabe dieser Zeitschrift mit dem Titel „Die Übermittlung von Gesundheitsdaten per E-Mail“ verwiesen.

Anerkannte telemedizinische Leistungen

Telemedizin umfasst laut Sozialministerium eine Vielfalt an Anwendungen. Beispielhaft wird das Telemonitoring, also die medizinische Überwachung des Gesundheitszustandes von Patienten aus der Entfernung genannt. Ein weiteres Anwendungsfeld stellt die Teletherapie dar, bei der ein GDA aktiv aus der Entfernung in die Behandlung von Patienten eingreift. Weiters gilt auch das Telekonzil als telemedizinisches Anwendungsfeld, in dessen Rahmen vom behandelnden GDA die Zweitmeinung eines entfernten GDA (etwa zur Fernbefundung in der Radiologie) eingeholt wird. Und schließlich wird noch die Telekonferenz erwähnt, bei der ein entfernter GDA zu einer laufenden medizinischen Behandlung durch einen anderen GDA beigezogen wird.
Von den oben erwähnten Anwendungsfällen existieren lediglich für die Fernbefundung in der Radiologie (Teleradiologie) ausdrückliche gesetzliche Regelungen. Für das Telekonzil existieren solche zwar nicht, dieses gilt in der Literatur aber als anerkannt und zulässig. Schwieriger ist die Situation bei der Teletherapie. Für diese existieren weder gesetzliche Regelungen noch ausreichend Judikatur. Bei der Anwendung teletherapeutischer Leistungen bewegt man sich daher noch im rechtlichen Graubereich.

Sowohl das Einholen einer Zweitmeinung (Telekonzil) als auch Leistungen im Notfall werden regelmäßig als rechtlich unproblematisch bewertet. Hingegen wird die Frage, ob Fernbehandlungen (Teletherapien) in einer ausschließlichen Form (etwa im Rahmen von virtuellen Behandlungsverhältnissen und reinen Fernbehandlungen durch Online-Ordinationen) zulässig sind, unterschiedlich beurteilt. Ein Teil der Lehre sieht ausschließliche Fernbehandlungen kritisch, ein anderer Teil weniger – er führt dazu die Gesundheitsnummer 1450 ins Treffen (Georgina, RdM 2020 05a, Seite 257 mwV).

Fazit und Ausblick

Während einzelne telemedizinische Anwendungsfälle entweder gesetzlich geregelt sind (wie etwa die Teleradiologie) oder als sonst zulässig gelten (wie etwa das Telekonzil), bleibt im Ergebnis, dass in Österreich derzeit noch keine belastbaren Rechtsvorschriften für die Anwendung teletherapeutischer Maßnahmen existieren. Vor dem Hintergrund, dass der technische Fortschritt längst eine Vielzahl telemedizinischer Anwendungsfelder ermöglicht, wäre es – auch zur Vermeidung haftungsrechtlicher Auseinandersetzungen – wünschenswert, die rechtlichen Rahmenbedingungen konkreter daran anzupassen. Für den Arzt heißt das im Zweifel, genau zu prüfen, ob die gewählte ärztliche Anwendung per Telemedizin zulässig ist.

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AUTOR: Dr. Michael Straub LL.M. Rechtsanwalt m.straub(at)northcote.at www.northcote.at
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Foto: istockphoto/Geber86