Autor: Mag. Lukas Bittighofer LL.M., Rechtsanwalt, Wkklaw Wien – Berlin, Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH, www.wkklaw.at
Ärzte sind stets angehalten, sofort zu handeln, wenn Gründe für die Beendigung des Behandlungsvertrages erkannt werden. Beschimpft ein Patient das Personal wüst, darf zum Beispiel nicht erst nach drei weiteren Behandlungsterminen gehandelt werden. Zudem ist es ratsam, solche Vorfälle mit Patienten gut zu dokumentieren und die Beendigung der Behandlung schriftlich zu begründen, um bei allfälligen Nachfragen eine nachvollziehbare Dokumentation der Geschehnisse vorlegen zu können.
Im Allgemeinen ist es empfehlenswert, ein Sicherheits- und Notfallkonzept zu entwickeln und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu planen und umzusetzen. Die Einbindung und Schulung des Ordinationspersonals ist ratsam und wichtig. In gravierenden Fällen ist ein Hinzuziehen der Polizei jedoch unerlässlich, da hierdurch der Vorfall auch von dritter Seite dokumentiert wird.
Was ist zumutbar?
Neben den strafrechtlichen Möglichkeiten kann man sich auch mit einer Unterlassungsklage, in Verbindung mit einer einstweiligen Verfügung, beim zuständigen Gericht helfen. Dadurch wird dem Patienten verboten, sich zum Beispiel bei der Ordination oder der Wohnung des Arztes aufzuhalten, und ihm aufgetragen, weitere Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme zum Arzt oder Personal zu vermeiden.
Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung ist, dass dem Arzt das Zusammentreffen mit dem Patienten unzumutbar ist, weil der Patient zuvor die körperliche oder psychische Integrität des Arztes angegriffen hat. Das Zumutbarkeitserfordernis ist unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall zu beurteilen. Bei einem gezielten, nicht unbedeutenden körperlichen Angriff sowie bei erheblicher Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit durch das Patientenverhalten („Psychoterror“) wird die Unzumutbarkeit in vielen Fällen vorliegen.
Eine einstweilige Verfügung gilt längstens ein Jahr und kann bei Gericht verlängert werden. Mit einer erfolgreichen Unterlassungsklage erwirkt man langfristigen und vor allem einen rechtlich durchsetzbaren Schutz gegen weitere Vorfälle.
Die Polizei kann zudem ein Betretungs- und Annäherungsverbot aussprechen, wenn etwa aufgrund eines vorangehenden gefährlichen Angriffs zu befürchten ist, dass der Patient weitere gefährliche Angriffe auf Leben, Gesundheit oder Freiheit des Arztes begehen werde. Dem Aggressor kann das Betreten der Ordination des Arztes und eines Umkreises von 100 m sowie die Annäherung auf 100 m verboten werden. Unter Hausrecht versteht man die Verfügungsgewalt von Eigentümern oder Mietern. Der Arzt als Eigentümer oder Mieter seiner Praxis hat daher die Befugnis, Patienten das Betreten der Praxis zu verbieten oder ihnen verbindliche Bedingungen für das Betreten durch eine Hausordnung vorzuschreiben.
Greift ein Patient den Arzt, das Ordinationspersonal oder andere Patienten an, kann sich der Arzt verteidigen und Notwehr bzw. Nothilfe einsetzen. Die genutzten Verteidigungsmittel müssen aber auf ein verhältnismäßiges Maß beschränkt sein und sind auf die verlässliche, sofortige und endgültige Abwehr des Angriffs zu richten. Erfolgt zum Beispiel ein hartnäckiger Angriff mit den Händen, ist die Abwehr durch Zurückstoßen mit den Händen verhältnismäßig, nicht hingegen das Verletzen mit einer Waffe. Derjenige, der in Notwehr oder Nothilfe handelt, macht sich jedenfalls nicht strafbar.
Ablehnung oder Abbruch der Behandlung
Bei drohender Lebensgefahr des Patienten darf ein Arzt die Erste Hilfe nicht verweigern. Hierbei kann die Ablehnung der Behandlung in akuten Situationen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Rahmen eines Behandlungsvertrages ist zu beachten, dass grundsätzlich Behandlungspflicht besteht. Aus bestimmten Gründen kann ein Arzt die Behandlung jedoch vor Beginn bereits ablehnen oder sogar eine begonnene Behandlung abbrechen, worunter auch inadäquates Patientenverhalten fallen kann.
Kassenärzte unterliegen jedoch einer strengeren Behandlungspflicht als Privatvertragsärzte. Sie dürfen die Behandlung nur in „begründeten Fällen“ ablehnen oder abbrechen, wenn die Grenze zum adäquaten Patientenverhalten deutlich überschritten wird. Bei einem Patienten, der gegen seine Mitwirkungsobliegenheit verstößt, weil er zum Beispiel nicht die Wahrheit über behandlungsrelevante Tatsachen sagt, sich weigert notwendige Untersuchungen vorzunehmen zu lassen oder die Therapieanweisungen einzuhalten, muss der Arzt die Behandlung nicht fortführen. Auch die Störung des Ordinationsbetriebs, etwa weil der Patient mit dem Ordinationspersonal streitet oder Beschimpfungen ausspricht, kann als Anlass für die Ablehnung der Behandlung genommen werden. Ein strafrechtliches Fehlverhalten des Patienten kann ein Ablehnungsgrund sein. Beispiele dafür wären u. a. das Verwenden einer fremden e-card oder zu verlangen, dass eine falsche Krankenstandbestätigung ausgestellt wird. Ablehnungsgrund ist auch die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten, was die weitere Behandlung unzumutbar macht, etwa wenn sich Arzt und Patient mit tiefem Misstrauen begegnen.
Grundsätzlich muss aber unterschieden werden, dass in manchen, weniger schwerwiegenden Situationen nur die Ablehnung der aktuellen Behandlung möglich ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Patient alkoholisiert in der Praxis erscheint oder vereinbarte Termine nicht wahrnimmt. Eine dauerhafte Ablehnung ist nur möglich, wenn er sich wiederholt inadäquat verhält. Wünscht der Patient die Durchführung einer bestimmten (Alternativ-)Therapie, die nach Wissen und Erfahrung des Arztes nicht erfolgsversprechend oder zielführend ist, kann der Arzt die Behandlung ablehnen, soweit seine eigene Einschätzung innerhalb des medizinischen Kalküls liegt. Er ist nicht verpflichtet, die Alternativtherapie entgegen seiner eigenen fachlichen Einschätzung durchzuführen.
Der Abbruch einer bereits begonnenen Behandlung ist nur zulässig, wenn der Patient sich rechtzeitig bei einem anderen Arzt in Behandlung begeben kann und somit nicht zu Schaden kommt. Diese Ausnahme ist eng zu verstehen und der Abbruch einer Behandlung sollte daher eher behutsam gewählt werden.
Fazit
Ärzte stehen übergriffigen und gewalttätigen Patienten nicht hilflos entgegen. Ihnen stehen rechtliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Zur Wahrung der Integrität der Ordination und zum Selbst- und Fremdschutz ist es wesentlich, entsprechende Maßnahmen rechtzeitig zu ergreifen, um im Ernstfall adäquat agieren zu können.