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Kassenärzte versus Wahlarzt: Eine Gegenüberstellung

Jungärzte und Spitalsärzte haben es nicht einfach. Wem alle Wege offen stehen, der steht vor einer Vielzahl wichtiger Entscheidungen.

Im vergangenen Dezember ließ eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag des Dachverbands der Sozialversicherungsträger aufhorchen. „Als Kassenarzt kann man in Österreich sehr, sehr gut verdienen“, so das Fazit. Konkret sollen Ärzte mit Kassenverträgen im Median mit 201.306 Euro knapp doppelt so viel verdienen wie Wahlärzte, also ausschließlich selbstständig sowie selbstständig und gleichzeitig unselbstständig tätige Mediziner.

Der Mär vom profitgierigen Wahlarzt war damit ein Ende gesetzt – verdiente dieser im Erhebungsjahr 2022 laut Studie im Schnitt doch nur „magere“ 100.849 Euro. So weit der Kassensturz. Was können nun gründungswillige Mediziner daraus lernen? Dass aufgrund höherer Lukrativität die Kassenordination klar zu favorisieren ist? Leider kann diese Frage nicht einfach beantwortet werden, da dabei eine Vielzahl an Faktoren eine Rolle spielt.

Kassen- oder Wahlarztpraxis?

Die erste Entscheidung für niedergelassene Ärzte ist die Wahl zwischen einer Kassenordination oder einer Wahlarztpraxis. Ein Kassenarzt hat einen Vertrag mit einer oder mehreren Krankenkassen. Die Vergabe der Kassenstellen erfolgt nach festgelegten Reihungskriterien, die von den Landesärztekammern bestimmt werden. Die Abrechnung erfolgt direkt mit der Kasse, sodass Patienten die Behandlung nicht selbst zahlen müssen. Die Honorare der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) werden jährlich zwischen den Landesärztekammern und den Sozialversicherungsträgern neu ausgehandelt. Dabei geht es unter anderem um Inflationsanpassungen oder neue Leistungen im Honorarkatalog.

Ein Wahlarzt hingegen hat keinen Vertrag mit einer Krankenkasse und stellt seinen Patienten eine private Rechnung. Diese können sich eine (Teil-)Rückerstattung bei ihrer Krankenkasse holen. Dadurch haben Wahlärzte mehr Spielraum bei der Preisgestaltung, allerdings auch ein höheres unternehmerisches Risiko.

Risikobereitschaft und Lebensstil

Die Wahl zwischen Kassen- oder Wahlarzt hängt oft mit individuellen Vorstellungen von Sicherheit und unternehmerischer Freiheit zusammen. Eine Kassenordination bietet eine stabile finanzielle Basis, da die Patienten automatisch über die Sozialversicherung kommen. Zudem gibt es einen „Gebietsschutz“, da die Zahl der Kassenärzte in einer Region nach dem Versorgungsbedarf begrenzt ist. Allerdings sind Kassenärzte an feste Mindestöffnungszeiten und einen vorgegebenen Standort gebunden.

Wahlärzte hingegen können ihre Ordination und Honorare frei gestalten, ihren Standort selbst wählen und entscheiden, wie viele Patienten sie betreuen möchten. Dieses Modell erfordert jedoch ein gutes Praxiskonzept, Eigenmarketing und unternehmerisches Geschick, um genügend Patienten zu gewinnen.

Entwicklungen und Zukunftsperspektiven

Statistisch gesehen arbeiten bereits fast zwei Drittel der Fachärzte in einer Wahlarztpraxis – mit steigender Tendenz. Trotzdem gibt es attraktive Karrieremöglichkeiten für Kassenärzte, insbesondere in ländlichen Gebieten. Mehr als 60 % der derzeitigen Kassenärzte werden in den kommenden zehn Jahren das Pensionsalter erreichen. Um diese Stellen attraktiv zu machen, bieten manche Gemeinden finanzielle Anreize wie Mieterlässe oder die Übernahme von Renovierungskosten.

Unterschiedliche Rahmenbedingungen

Vergleicht man das Gewinnpotenzial beider Modelle (so wie dies vom Dachverband der Sozialversicherungsträger erfolgte), so zeigen sich Kassenordinationen derzeit als lukrativer, vor allem, weil viele Wahlärzte ihre Praxis nur neben einer Spitalstätigkeit betreiben. Allerdings arbeiten Kassenärzte oft mehr Stunden.

Die folgende Gegenüberstellung beleuchtet die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Kassen- und Wahlärzte:

Vor- und Nachteile: Versuch einer Gegenüberstellung

Die Entscheidung zwischen einer Tätigkeit als Kassenarzt oder Wahlarzt hat für Mediziner sowohl Vor- als auch Nachteile mit Hinblick auf Einkommen, Arbeitsbelastung, Flexibilität und Patientenversorgung. Für welchen Mediziner sich das eine oder andere am besten eignet, ist eine sehr individuelle Entscheidung, bei der Fach, Standort und persönliche Neigung eine Rolle spielen. Hier ein Vergleich, der grob die Entscheidungskriterien auflistet, die für die individuelle Entscheidung maßgeblich sein können:

Kassenarzt (Vertragsarzt)

Vorteile: Eigene Bewertung:

  1. Gesicherte Patientenzahl: Da viele Patienten mit gesetzlicher Versicherung auf Kassenärzte angewiesen sind, ist der Zulauf meist hoch.
  2. Regelmäßiges Einkommen: Durch die Abrechnung mit der Krankenkasse besteht ein sicheres finanzielles Fundament.
  3. Soziale Absicherung: Pensionsversicherungsbeiträge und andere Sozialleistungen in Höhe der Höchstbemessungsgrundlage fallen hier verlässlicher an als in der reinen Wahlarztpraxis.
  4. Breitere Patientenschicht: Man behandelt eine größere Vielfalt an Patienten und kann so ein breiteres medizinisches Spektrum abdecken.
  5. Niedrigere Hürde für Patienten: Patienten müssen keine direkten Kosten übernehmen, was den Zugang zur Praxis erleichtert.

Nachteile:

  1. Zeitintensität: Zeitintensiver als Wahlarztordination
  2. Vergütung durch Krankenkassen gedeckelt: Es gibt oft Budgetgrenzen, sodass nicht alle erbrachten Leistungen vollständig bezahlt werden.
  3. Hoher Verwaltungsaufwand: Abrechnungen mit Krankenkassen erfordern viel Bürokratie.
  4. Weniger Zeit pro Patient: Aufgrund hoher Patientenzahlen bleibt oft nur wenig Zeit pro Konsultation.
  5. Eingeschränkte Therapiefreiheit: Vorgaben der Krankenkassen können die Verordnung bestimmter Behandlungen oder Medikamente erschweren.
  6. Regulierungen und Kontrolle: Es gibt strengere Kontrollen durch die Kassen.

Wahlarzt (Privatarzt, ohne Kassenvertrag)

Vorteile: Eigene Bewertung:

  1. Höhere Vergütung pro Patient: Die Honorare sind frei verhandelbar und oft höher als Kassensätze.
  2. Mehr Zeit pro Patient: Da keine Kassenvorgaben eingehalten werden müssen, kann man sich intensiver um den Einzelnen kümmern.
  3. Weniger Bürokratie: Keine Abrechnung mit Krankenkassen, sondern direkte Verrechnung mit dem Patienten.
    Jedoch: Seit 1.7.2024 verpflichtende Honorarübermittlung für Patienten an die Sozialversicherung
  4. Mehr Flexibilität: Die Praxisorganisation ist freier gestaltbar (z. B. Terminvergabe, Sprechzeiten).
  5. Höhere Patientenzufriedenheit:Oft persönlicherer Kontakt und individuellere Betreuung

Nachteile:

  1. Kein gesichertes Patientenaufkommen: Man muss sich aktiv um den Aufbau einer Patientenbasis kümmern.
  2. Höheres finanzielles Risiko: Besonders in der Anfangsphase kann die Unsicherheit über Einkommen problematisch sein.
  3. Eingeschränkte Patientenbasis: Viele Patienten können oder wollen sich keine Privatmedizin leisten.
  4. Abhängigkeit von privater Zahlungs-bereitschaft: Patienten müssen die Kosten selbst übernehmen oder über eine Zusatzversicherung abdecken.
  5. Geringere soziale Absicherung: Eventuell geringere Pensionsversicherungsbeiträge infolge geringerer Einnahmen

Die Qual der Wahl

Letztlich bleibt die Entscheidung individuell: Sicherheit und planbare Einnahmen oder mehr Freiheit und unternehmerisches Potenzial? Wer Stabilität und ein breites Patientenspektrum sucht, wählt oft die Kassenstelle. Wer mehr Unabhängigkeit, bessere Vergütung und weniger Bürokratie möchte, entscheidet sich für die Wahlarztordination. Die Wahl hängt letztlich von den individuellen Prioritäten, dem gewünschten Arbeitsstil und finanziellen Zielen ab.

Autorinnen:

Mag. Iris Kraft-Kinz
Geschäftsführende Partnerin, Steuerberaterin MEDplan, www.medplan.at

Dr. Astrid Kirchauer
Leiterin Kommunikation, Steuerberaterin MEDplan, www.medplan.at

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Mag. Iris Kraft-Kinz, Steuerberaterin, Unternehmensberaterin MEDplan, iris.kraft-kinz@medplan.at, www.medplan.at© Die Abbilderei
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Dr. Astrid Kirchauer, Leiterin Kommunikation, Steuerberaterin MEDplan, www.medplan.at© ZVG
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