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Jungärzte warten nicht auf Veränderungen, sondern wechseln das Krankenhaus

Der Generationenwechsel im Krankenhaus stand im Mittelpunkt eines aktuellen Premium Talks des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Österreichs (VLKÖ) mit Jugendforscher und Sozialwissenschaftler Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier und Prim. Univ.-Prof. Dr. Matthias Rab, Vizepräsident des VLKÖ.

Der Generationenwechsel im Krankenhaus stand im Mittelpunkt eines aktuellen Premium Talks des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Österreichs (VLKÖ) mit Jugendforscher und Sozialwissenschaftler Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier und Prim. Univ.-Prof. Dr. Matthias Rab, Vizepräsident des VLKÖ.

Die zwischen 1985 und 1990 Geborenen, mit Neuen Medien groß geworden und gewohnt, alles zuerst einmal infrage zu stellen: Das Zusammenarbeiten mit den Vertretern dieser Generation Y ist oft eine Herausforderung für Führungskräfte und Kollegen. Auch wenn Pauschalurteile über eine ganze Generation bestimmt mit einer gewissen Unschärfe behaftet sind, so lohnt es sich doch, näher hinzusehen, um grundlegende Handlungsmuster zu erkennen und sich im Arbeitsalltag besser darauf einstellen zu können. 

Hinterfragen ist Pflicht

„Das ist so und das haben wir schon immer gemacht“ – damit ist selten ein Vertreter einer älteren Generation bei einem Jüngeren gut angekommen und erst recht nicht bei der Generation Y, die auch als „Generation Why“ bezeichnet wird. Betrachtet man das Lebensumfeld, wird auch rasch klar, warum das so ist: Entscheidungen zu treffen ist für einen Y-Vertreter quasi überlebenswichtig. Aufgewachsen im Kommunikationszeitalter gilt es, mit dem Überfluss an Information und Wahlmöglichkeiten zurechtzukommen. Rasches Navigieren in einer sehr komplexen Welt hat dazu geführt, dass junge Menschen mit der Frage nach dem „Warum“ und „Was bringt mir das?“ diese Komplexität aber ganz einfach reduzieren können, ihre eigenen Bedürfnisse gnadenlos in den Mittelpunkt stellen und damit völlige neue Qualitäten ins Berufsleben bringen, die selten eine Genration davor derart gekonnt beherrscht hat.

Auf der anderen Seite wirkt es für viele „traditionelle“ Arbeitnehmer und Führungskräfte, als könnte sich dieser Nachwuchs nur schwer an Regeln halten und würde nur dann kooperativ im Team arbeiten, wenn auch ein erkennbarer (Eigen-)Nutzen aus jeder Handlung folgt. Es liegt nahe, dass die Digital Natives daher oft auch als egoistisch, oberflächlich und selbstzentriert eingestuft werden. Doch genau genommen ist es eine wirksame Strategie, das Risiko einer falschen Entscheidung in Beruf und Alltag gut und rasch in den Griff zu bekommen und den passenden Weg durch das Dickicht an – zugegeben vielen verlockenden Angeboten – zu finden. Die guten Nachricht: Vertreter der Generation Y sind bereit, im Arbeitsleben viel zu leisten, jedoch fordern sie ebenso viel an Freiheit, Flexibilität und eine besonders breite Komfortzone. Feedback nur einmal jährlich ist Schnee von gestern. Millennials brauchen Anerkennung, Motivation, Spaß und Entertainment – und das sofort und immer.

„Ihre Loyalität zu einem Unternehmen ist nicht übermäßig langlebig, sobald diese Triggerfaktoren nachlassen. Das führt zu enorm hoher Mobilitätsbereitschaft, denn Freunde hat man ohnehin überall auf der Welt“, beschreibt Jugendforscher und Sozialwissenschaftler Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier. Die „innere Kündigung“ gibt es nicht, denn so lange warten „Ys“ nicht auf Veränderungen. Sie werden aktiv, sobald die Komfortzone unkomfortabel wird. „Der Vorteil, den Spitäler und Krankenhausträger nutzen können, liegt auf der Hand: Millennials sind extrem wissensdurstig, innovativ und risikobereit“, sagt Heinzlmaier.
Und dass sie wahre „Freizeitoptimierer“ sind, muss auch im richtigen Licht betrachtet werden. Eine ausgewogene Work-Life-Balance steht im Vordergrund ihres Handelns und die eigenen Bedürfnisse auch im Job ganz oben. Hier liegt klares Lernpotenzial für die ältere Generation, denn vielleicht sollen wir anstelle von Burnoutprophylaxe-Ratgebern hin und wieder mit einem Digital Native die Mittagspause verbringen und lernen, was sie perfekt im Griff haben: hohe Leistungsbereitschaft mit Maß und Ziel, ohne dabei die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen.

Mitarbeiter, die man sich wünscht

Ganz anders stellt sich hingegen die Generation Z dar. Die zwischen 1996 und 2012 Geborenen waren schon vor der aktuellen Pandemie eine zutiefst verunsicherte und vorsichtige Generation – Corona hat dieser Entwicklung den letzten Spin gegeben: die Suche nach Halt hat sich massiv verschärft. Dieses Streben nach Sicherheit und Stabilität macht sie zwar nicht zu optimalen Führungskräften, die furchtlos und risikobereit in eine unsichere Zukunft navigieren, aber dafür zu „braven“ Mitarbeitern, die man sich als Chef nur wünschen kann. „Sie haben ein Urvertrauen in traditionelle Strukturen, wie eben das Gesundheitswesen, und würden am liebsten eine klassische Beamtenkarriere verfolgen“, so der Sozialwissenschaftler. Dabei schätzen sie ehrliche, moralisch integre Vorgesetzte. Auch wenn sie auf den ersten Blick anspruchslos wirken, so ist ihnen – anders als ihrer Vorgängergeneration – eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf sehr wichtig, der Beruf steht erst an zweiter Stelle. Gearbeitet wird gerne in kleinen, beständigen Teams – auch hier sind Verlässlichkeit und Stabilität der prägende Faktor.

„Wir bezeichnen die Generation Y auch als ,Wachteln‘, die sehr jung aus dem Nest flüchten und Freigeister sind. Sie sind gegenüber dem Arbeitgeber nicht verbindlich, wollen sich selbst verwirklichen und stellen eine kleine Elite dar“, bringt es Heinzlmaier auf den Punkt. Im Gegensatz dazu beschreibt das Bild des Pinguins die Generation Z genau: Wenn einer sich bewegt, sind auch alle anderen gefragt. Ohne Kolonie und die Anpassung an die Gruppe ist ein Einzelner nicht überlebensfähig. rh

Der VLKÖ

Der VLKÖ ist die Plattform leitender Ärzte im Gesundheitswesen. Sie hat engen Kontakt zu über 1.500 Ärzten in Führungsposition und vertritt deren Anliegen und Interessen. Eines der Hauptanliegen des Verbandes ist es, gesundheitspolitische Themen voranzutreiben, um neue, dringend benötigte Lösungsansätze für Probleme, mit denen sich Primarärzte im Berufsalltag konfrontiert sehen, zu diskutieren und so auch zu Verbesserungen beizutragen.
www.leitendekrankenhausaerzte.at

  • Generation X (geb. 1966 – 1980): starkes Konsumverhalten und Markenbewusstsein; großes Verlangen nach beruflicher Erfüllung, ausgeglichene Work-Life-Balance  und Abgrenzung
  • Generation Y (geb. 1981 – 1995): geprägt von Digitalisierung und dem Internet-Boom; starker Drang nach Freiheit,  Selbstbestimmung und Sinnsuche, Arbeit und Freizeit verschmilzt zu Work-Life-Integration.
  • Generation Z (geb. nach 1995): Kennt eine Welt ohne Internet nicht mehr; sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne; Trennung von virtuell und real ist nahezu aufgehoben, ausgeprägtes Identitätsdenken, setzt sich für Menschenrechte und die Gleichberechtigung benachteiligter Gruppen ein.

Was können wir daraus lernen

Diese Frage stellt Prim. Univ.-Prof. Dr. Matthias Rab, Vorstand des VLKÖ, dem Jugendforscher und Sozialwissenschaftler Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier

Rab: Als leitender Primararzt steht man vor der Herausforderungen, mit den unterschiedlichen Werten der Generationen Y und Z arbeiten zu müssen. Wie kann das gehen?
Heinzlmaier: Wir haben beobachtet, dass die Generation Y eine schmale Oberschicht ist. Je weiter wir uns Richtung Mitte bewegen, desto eher treffen wir auf eine Population, die hochgradig sicherheits- und stabilitätsorientiert ist, sozusagen retrotopisch veranlagt ist und eher mit unserer Großelterngeneration vergleichbar ist. Wer sich also jetzt als junger Mensch im Spital bewirbt, der will vermutlich eine sehr berechenbare Karriere, einen sicheren Job und keine Experimente. Wir werden uns jedenfalls auf einen neuen Menschentypus einstellen müssen, der unter den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen leidet, skeptisch gegenüber Globalisierung, Digitalisierung und Ökonomisierung ist. Diese Ängste muss man aufgreifen und bearbeiten. Die Generation X und Y hatte viele Optionen und keine Angst, vollkommen abzustürzen. Bei der Generation Z sieht das jetzt völlig anders aus. Ängste, den Boden unter den Füßen zu verlieren, sind bei Schul- und Studienabgängern sowie Berufsanfängern massiv verbreitet. Das führt zu einer großen Zurückhaltung und hoher Anpassungsbereitschaft.

Rab: Wir werden irgendwann aber auch die Führungspositionen besetzen müssen – wie muss man sich das vorstellen?
Heinzlmaier: Die werden von einer schmalen Gruppe besetzt werden, die von den Großeltern mitbekommen haben, dass es ein Wert ist, sich total zu verausgaben. Es gibt ja immer ein paar anachronistische Mentalitäten, die man sich hier herauspicken muss. Und gleichzeitig wird man den Anforderungskatalog für Führungskräfte ändern müssen. Etwa Job-Sharing-Angebote, sodass sich mehrere eine Stelle teilen. Wir werden jedenfalls damit umgehen müssen, dass es unterschiedliche Generationen mit ebenso unterschiedlichen Wertvorstellungen gibt, die parallel existieren.

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Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier, Jugendforscher und Sozialwissenschaftler. Foto: Fotostudio Wilke
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Foto: istockphoto/azatvaleev
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Prim. Univ.-Prof. Dr. Matthias Rab, Vorstand der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Klinikum Klagenfurt, Mitglied der FEBOPRAS, ÖGPÄRC und Vizepräsident des VLKÖ. Foto: zvg