AutorInnen:
Mag. Canan Aytekin
Generaldirektor-Stellvertreterin Pensionsversicherung
Dr. Monika Mustak-Blagusz, MBA
Chefärztin, Pensionsversicherung
Mit 15 stationären und zwei ambulanten Reha-Zentren in ganz Österreich sowie rund 150 Vertragspartnern ist die Pensionsversicherung (PV) der größte Anbieter von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen des Landes. Im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells wurden die Leistungsprofile für stationäre und ambulante Rehabilitation überarbeitet. Der Schwerpunkt liegt auf der beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabe, um Patienten auf ihrem Weg zurück in ein selbstständiges Leben optimal zu unterstützen.
Bisher gab es in der medizinischen Rehabilitation unterschiedliche Leistungsprofile, Vorgaben, die nicht immer alle Patienten benötigten, oder verschiedene Bezeichnungen für gleiche Leistungen. Das neue medizinische Leistungsprofil (MLP) setzt auf individualisierte, maßgeschneiderte und zielorientierte Rehabilitation: Im Fokus stehen die Bedürfnisse der Betroffenen, das Erkennen von „besonderen beruflichen Problemlagen“ (BBPL), die „Rückkehr zur Erwerbsfähigkeit“, die Eigenverantwortung der Patienten, eine verstärkte Wirkungsmessung der Maßnahmen sowie die Entlassungs- und Teilhabeberatung mit dem Aufzeigen von weiteren Schritten nach der Reha. Generaldirektor-Stellvertreterin Mag. Canan Aytekin: „Die Umsetzung der neuen Grundlagen finalisiert einen Prozess, den die PV vor rund zwei Jahren initiiert hat. Der Aktivtherapie inklusive des psychologischen Angebots sowie der Entlassungs- und Teilhabeberatung kommen dabei besondere Bedeutungen zu. Diese Leistungsprofile werden ab 2024 in allen Reha-Zentren der PV und unseren Partnereinrichtungen umgesetzt.“
Das bio-psycho-soziale Modell der WHO
Grundlage für die moderne medizinische Rehabilitation ist das bio-psycho-soziale ICF-Modell (International Classification of Function, Disability and Health) der WHO. Bei diesem steht der Mensch mit all seinen Lebenskontexten im Mittelpunkt. Der Fokus liegt auf der individuellen Festlegung von Rehabilitationszielen in der Teilhabe- und Aktivitätsebene, die Funktionsebene wird untergeordnet.
Zur Erreichung der Teilhabe im Beruf oder in privaten Lebensbereichen werden gemeinsam mit den Rehabilitanden Ziele definiert, die diese wieder ausüben wollen. Der Erfolg der Rehabilitation wird am Erreichen des Teilhabeziels bewertet, Funktionsziele sind dann
relevant, wenn die Aktivitäts- bzw. Teilhabeebene dadurch eingeschränkt ist.
Das Modell berücksichtigt damit zwingend die individuellen Lebensumstände der Betroffenen und trägt dazu bei, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit so weit wiederherzustellen, dass die aktive Teilnahme am Alltag gewährleistet und damit ein sozial und wirtschaftlich autonomes Leben gefördert wird.
Individualisierung der Rehabilitation – Fokus auf Teilhabe und Beruf
Die Schwerpunkte der Therapiezusammenstellung bzw. die Therapieinhalte orientieren sich an der Erreichung der beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabeziele. Zu Beginn der jeweiligen Reha wird – für stationäre und ambulante Maßnahmen – eine Einstufung der Patienten in verschiedene Leistungskategorien vorgenommen. Dadurch wird beurteilt, wie schwer betroffen Patienten bei Antritt der Rehabilitation sind. Basierend darauf erfolgt eine flexible Therapieverordnung, im Rahmen derer genau jene Leistungen zusammengestellt werden, die für die jeweilige Zielerreichung benötigt werden.
„Die neuen Leistungsprofile ermöglichen in jeder Indikation eine teilhabeorientierte Rehabilitation und sehen eine höchstmögliche Individualisierung der Reha-Maßnahmen vor. Die Stärkung der Eigenverantwortung sowie die Wiedererlangung und der langfristige Erhalt der Partizipation am Berufs- und Sozialleben stehen im Fokus der Reha-Maßnahmen“, bestätigt Chefärztin Dr. Monika Mustak-
Blagusz, MBA.
Das neue medizinische Leistungsprofil gliedert sich in: Grundmodul (Leistungen bei Aufnahme und Entlassung), Rehabilitationsdiagnostik (allgemeine und indikationsspezifische Diagnostik sowie Erfassung von besonderen beruflichen Problemlagen), Rehabilitationstherapie (aktive Leistungen inkl. ICF-Leistungen, Schulungen, passive Therapien), Ergebnisanalyse und Entlassungsbericht.
Während des Rehabilitationsaufenthaltes erfolgen regelmäßige ICF-Besprechungen, um die einzelnen Maßnahmen bestmöglich auf die gemeinsam mit den Rehabilitanden zu erreichenden Ziele abzustimmen.
Ein besonderer Schwerpunkt in der Rehabilitationsdiagnostik liegt auf dem Erkennen beruflicher Problemlagen (BBPL) und psychosozialer Belastungen. Als Screeninginstrument zur Erkennung des Bedarfs an medizinisch-beruflich orientierter Rehabilitation kommt der SIMBO-C1 zur Anwendung. Weiters wird eine detaillierte Berufs- und Sozialanamnese erstellt sowie die subjektive Arbeitsfähigkeit unter Zuhilfenahme des „Work Ability Index“ (WAI) festgestellt. Bei Verdacht auf eine besondere berufliche Problemlage erfolgt die entsprechende Ausrichtung der Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Erreichung des beruflichen Teilhabeziels, um damit den Wiedereinstieg gezielt zu unterstützen und zu fördern.
Dafür hat die PV in den letzten Jahren verschiedene innovative Rehabilitationsstrategien entwickelt. Das in der PV entwickelte medizinisch-berufsorientierte Heilverfahren RehaJET® ist insbesondere darauf ausgerichtet, Maßnahmen zu setzen, die die Patienten für ihre weitere Erwerbstätigkeit benötigen. Nach einer genauen Analyse der spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes und der physischen und psychischen Fähigkeiten der Betroffenen können in speziell darauf spezialisierten Reha-Zentren eine Vielzahl an arbeitsspezifischen Tätigkeiten nachgestellt und damit Belastungen simuliert und entsprechend trainiert werden. Ziel ist, damit die Perspektiven nach Abschluss der Rehabilitation zu erhöhen, wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden zu können und die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Ergebnisanalyse: Entlassungs- und Teilhabeberatung (ETB)
Um das Risiko für Versorgungsprobleme oder einen Pflege- und Unterstützungsbedarf abzuklären, gilt es, bereits im Aufnahmeprozess das Entlassungsmanagement miteinzubeziehen. Dadurch wird sowohl die Anschlussversorgung als auch die Nachhaltigkeit der Rehabilitationsmaßnahmen gesichert. Am Ende der Rehabilitation wird eine abschließende Ergebnisanalyse durchgeführt, und in der Entlassungsberatung werden die nächsten konkreten Schritte der Patienten festgelegt:
- Für Rehabilitanden, die nicht dauerhaft in Pension sind und bei denen die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit im Fokus steht:
Wenn die Rehabilitationsziele erreicht wurden, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Wenn es medizinische Gründe erfordern, ist ein Antrag auf ein Wiederholungsheilverfahren möglich.
Ein PV RehaJET® Heilverfahren wird dann überlegt, wenn die Chancen gut stehen, nach Absolvierung dieses speziell medizinisch-berufsorientierten Heilverfahrens die Arbeitsfähigkeit zu erreichen, sofern die Ziele im Rahmen der medizinischen Rehabilitation noch nicht erreicht werden konnten.
Die ambulante Phase III ist für Rehabilitanden vorgesehen und möglich, wenn deren Ziele noch nicht ganz erreicht sind und sie Stabilisierungsmaßnahmen benötigen.
Berufliche bzw. soziale Rehabilitationsmaßnahmen werden überlegt für Personen, die zwar arbeitsfähig sind, aber nicht mehr im ursprünglichen Beruf arbeiten können und daher Umschulungsmaßnahmen benötigen. - Für die Bezieher dauerhafter Pensionsleistungen:
Bei erreichten Rehabilitationszielen sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Wenn aus medizinischen Gründen erforderlich, kann ein Antrag auf ein Wiederholungsheilverfahren gestellt werden.
Sofern eine Rückkehr nach Hause nicht mehr möglich ist, können im Rahmen des Entlassungs- und Teilhabemanagements mögliche Optionen erarbeitet werden.
Die Rehabilitation hat einen wichtigen Stellenwert, um wieder ins Leben zurückzufinden. Akute oder chronische Erkrankungen können zu unterschiedlichsten Beeinträchtigungen von Aktivität und Teilhabe führen. Nicht immer kann der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden. Daher gilt es, gemeinsam mit den Rehabilitanden Ressourcen und Möglichkeiten zu finden, die zur Erreichung der individuellen Teilhabeziele benötigt werden. Mit der Umsetzung der neuen medizinischen Leistungsprofile ist ein wichtiger Schritt in Richtung moderner, teilhabeorientierter Rehabilitation gesetzt worden.
Fußnote: 1)https://medical-data-models.org/13661; der SIMBO-C ist ein Instrument zur Erkennung des Bedarfs an medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitationsmaßnahmen.

















