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Honorar bei No-Show? Wie Allgemeine Geschäftsbedingungen auch im Arzt-Patienten-Verhältnis für mehr Rechtssicherheit sorgen.

Das Verhältnis zwischen Medizin und Recht gilt oft als angespannt. Dieser Beitrag soll in objektiver Art und Weise beurteilen, ob die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei medizinischen Heilbehandlungen nützlich sein könnte.

 

Das Verhältnis zwischen Medizin und Recht gilt oft als angespannt. Dieser Beitrag soll in objektiver Art und Weise beurteilen, ob die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei medizinischen Heilbehandlungen nützlich sein könnte.

Derzeit werden die meisten Behandlungsverträge zwischen Arzt und Patient mündlich abgeschlossen. Dies geschieht durch Terminvereinbarung oder durch unmittelbares Aufsuchen des Arztes und beginnt mit der Behandlung bzw. dem Arztgespräch. In einer solchen Variante bleibt wenig Platz für Allgemeine Geschäftsbedingungen, da diese bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart sein müssen und im Nachhinein nur mehr mit viel Aufwand zum Vertragsinhalt erhoben werden können.

Schriftliche Verträge sind nicht Usus

Der erste Schritt für den Wechsel in die Welt der schriftlichen Behandlungsverträge wäre daher die Umstellung des konkludenten Vertragsabschlusses in die der Schriftlichkeit, was auch bereits einige Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten und Ärzte umgesetzt haben, die keine Kassenpatienten behandeln. Dies ist darin zu begründen, da Vertragsärzten gegenüber Kassenpatienten eine gewisse Behandlungspflicht zukommt und die Behandlung nicht in Eigenregie vom Abschluss eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen abhängig gemacht werden kann. Aber auch im Bereich der Kassenverträge wurden mittlerweile bereits zwischen Ärztekammern und Kassen Gespräche geführt, wenn auch lose, um abzuklären, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen auch bei Kassenpatienten umsetzbar und sinnvoll wären. Der Ausgang ist abzuwarten.
Aus dem juristischen Blickwinkel gesehen ist es wenig verständlich, wieso angesichts der potenziellen Risiken und der immer häufiger werdenden Anzahl von Gerichtsverfahren bisher schriftliche Behandlungsverträge immer noch selten abgeschlossen werden. Ob ein schriftlicher Behandlungsvertrag aber dann tatsächlich auch im täglichen Ordinationsbetrieb praktikabel ist, liegt beim jeweiligen Anwender und wird wohl auch Eingewöhnungszeit und Durchhaltevermögen voraussetzen. Bei der Abwägung des Für und Wider von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Praxisalltag sollte sich der Arzt jedenfalls die Frage stellen, welchen Nutzen eine zusätzliche schriftliche Vereinbarung haben könnte. Hierzu einige Beispiele:

Leistungsumfang – Festlegung der Vertragsparteien

Die meisten Leser werden sich nun denken, dass der Leistungsumfang und die Vertragsparteien für den Patienten ohnehin klar sein sollten, jedoch ist dem leider nicht so. In der Vergangenheit hat sich bereits des Öfteren gezeigt, dass insbesondere bei einem Einschreiten von mehreren Ärzten eine große Ungewissheit besteht, wer dem Patienten welche Leistung schuldet und wer eigentlich Vertragspartner geworden ist. Von entscheidender Bedeutung ist diese Frage insbesondere für die Haftung sowie für das Honorar. Hierzu hatte der Oberste Gerichtshof bereits mit immens großen Auslegungsschwierigkeiten zu tun, da er – ohne vorherige Verschriftlichung – feststellen musste, welche Leistung vom Behandlungsvertrag umfasst war. Einer der meist diskutierten diesbezüglichen Fälle befasste sich damit, ob die Abstrichbefundung in die Leistungspflicht einer Gynäkologin gefallen ist oder in die des hinzugezogenen Pathologen. Ein weiterer bedeutender Fall klärte die Frage der Haftung eines Dermatologen für einen Pathologen, der zur Untersuchung von Gewebeproben beigezogen wurde. Beiden Fällen war gemein, dass die Befundung der Gewebeproben falsch war. Der Oberste Gerichtshof nahm die Gynäkologin in die Haftung, weil dem Patienten nicht ersichtlich war, warum eine Beurteilung des Befundes nicht von den Leistungen der Gynäkologin umfasst gewesen wäre. Beim Dermatologen war es wiederum so, dass es – laut Oberstem Gerichtshof – dem Patienten erkennbar war, dass das Aufgabengebiet dieses Facharztes nicht die Befundung von Gewebeproben umfasst. Ähnliche Probleme treten im Übrigen auch bei Urlaubsvertretungen auf, da dem Patienten oft nicht bewusst ist, wer denn nun Vertragspartner ist. Die nun eben kurz umrissenen Probleme würden sich nicht stellen, wenn der Leistungsumfang vertraglich festgehalten wird. Dieser könnte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen recht unkompliziert abgebildet werden.

Honorar bei No-Shows

Im Arbeitsalltag eines Arztes kommt es oft vor, dass ein Patient überhaupt nicht erscheint oder derart kurzfristig absagt, dass kein anderer Patient diese Lücken füllen kann. Solche Fälle sind insbesondere dann ärgerlich, wenn damit ein Verdienstentgang verbunden ist.
Ein Arzt hat ohne ausdrückliche Honorarvereinbarung zwar dennoch Anspruch auf ein angemessenes Entgelt, die Durchsetzung ist jedoch sehr aufwendig, da die Feststellung der Höhe im Streitfall ausschließlich durch einen Sachverständigen bei Gericht erfolgt. Eine Aufnahme von schriftlichen Honorarkriterien in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre an dieser Stelle sinnvoll. Aus einem Leistungskatalog wäre zu entnehmen, welche Leistung wie viel kostet. Man könnte weiters darüber hinaus normieren, wann dem Arzt ein Ausgleichsanspruch zusteht. Dies wäre zum Beispiel dann möglich, wenn (i) bei einem Behandlungsabbruch des Patienten kein wichtiger Grund gegeben ist oder (ii) wenn der Patient kurzfristig den Termin absagt oder überhaupt nicht erscheint.

Datenschutz

Ärzte wurden bekanntlich durch die DSGVO als „Verwender“ eingestuft und müssen umfassenden Informationspflichten gegenüber ihren Patienten nachkommen. Ärzte müssen den Patienten unter anderem über Art, Zweck und Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung und die Dauer der Datenspeicherung informieren. Es wurde zwar in der DSGVO nicht normiert, wie diese Informationen zu erteilen sind, trotzdem treffen den „Verwender“ gewisse Nachweispflichten der Informationserteilung. Alleine aus diesem Grund wäre es ein durchaus sinnvolles Einsatzgebiet, Datenschutzerklärungen in Allgemeine Geschäftsbedingungen aufzunehmen. Man müsste diese zwar mit einer Überschrift eigens kennzeichnen, könnte sie dann aber mit den übrigen Bestandteilen leicht kombinieren.

Verhaltensvorschriften

Nicht immer halten sich Patienten an Regeln bzw. die Hausordnung, deswegen ist es umso wichtiger – zum Schutz der übrigen Patienten sowie auch aus Eigenschutz –, klar zu vermitteln, welche Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden müssen. Dieser Punkt könnte insbesondere auch für Vertragsärzte interessant sein, da die Behandlung eines Kassenpatienten unter Umständen abgelehnt bzw. abgebrochen werden kann, wenn dieser durch sein Verhalten den Ordinationsbetrieb nachhaltig beeinträchtigt. Eine Behandlung abzulehnen bzw. eine laufende Behandlung zu beenden wäre auch bei fehlender Compliance möglich oder wenn Patienten von einem Arzt etwas verlangen, was nicht im Sinne einer Lege-artis-Behandlung wäre. Eine Verschriftlichung dieser Punkte würde die Sensibilität der Patienten erhöhen und könnte zu Beweiszwecken herangezogen werden, da die Ablehnung eines Kassenpatienten dokumentiert werden muss.

Wofür kein Platz ist

Im Bereich der Aufklärung und der Haftung können Allgemeine Geschäftsbedingungen keine bzw. nur eingeschränkte Anwendung finden. Die Aufklärung ist aufgrund der Vielzahl der Behandlungen nicht in einer einzigen Vertragsurkunde abzubilden und muss darüber hinaus ohnehin vom Arzt persönlich durchgeführt werden. Fragen zur Haftung können ebenso wenig über Allgemeine Geschäftsbedingungen gelöst werden, da eine Haftung für Personenschäden nicht ausgeschlossen werden darf.

Zusammenfassend kann aus juristischer Perspektive festgehalten werden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen zwar nicht für alle Bereiche anwendbar sind, dennoch würden sie den medizinischen Arbeitsalltag auf lange Sicht gesehen immens erleichtern, da die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Dokumentationsaufwand vermindert. Insbesondere in Sachen der Haftungsminimierung stellen sie einen nicht zu unterschätzenden Wert dar, wenn gewisse Aspekte zusätzlich dokumentiert werden.

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Foto: istockphoto/www.fotogestoeber.de
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Mag. Lukas Bittighofer LL.M.© ZVG