Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) weist in diesem Zusammenhang auf die zentrale Bedeutung der Gefäßgesundheit hin, da Herz und Gefäße eine Einheit bilden. Herz und Gefäße sind nicht ohneeinander zu denken, weshalb auch das Gefäßsystem in die Präventionsbemühungen integriert werden sollte – auch im Titel des Gesetzes soll das erkennbar werden. Daher schlägt die DGG die Umbenennung auf „Herz-Gefäß-Gesundheits-Gesetz“ vor.
Hohe Kosten durch HKE
So wie auch in Österreich haben die Deutschen eines der teuersten Gesundheitssysteme der EU, bei der Lebenserwartung liegen die Länder nur knapp über dem EU-Durchschnitt. Die Ursache ist unter anderem die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE), die in Deutschland höher ist als in den meisten anderen westlichen Industrienationen: Kardiovaskuläre Erkrankungen sind für etwa jeden dritten Todesfall verantwortlich und liegen damit weit vor der zweithäufigsten Todesursache Krebs, die für rund jeden fünften Todesfall verantwortlich zeichnet. Auch Österreich liegt hier im Trend: Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) sind nach einem Bericht des Gesundheitsministeriums für 38 % aller Todesfälle verantwortlich. Rund 5.500 Menschen unter 75 Jahren verstarben im Jahr 2019 an einer HKE, 1.600 Menschen an einem Myokardinfarkt (MI) und 200 Menschen an einem ischämischen Schlaganfall. Im Beobachtungszeitraum 2002 bis 2019 nahm die vorzeitige HKE-Sterblichkeit jährlich um durchschnittlich 3,4 % ab. Auch die Wirtschaft ist davon betroffen, denn 2019 entfielen rund 38.000 Krankenstände und rund 1.157.000 Krankenstandstage auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Infolge von HKE wurden rund 1.900 Menschen frühzeitig pensioniert, mit einem deutlich rückläufigen Trend. In 75 % der Fälle waren dafür ischämische Herzkrankheiten, zerebrovaskuläre Krankheiten und Krankheiten der Arterien verantwortlich. Personen, die innerhalb der letzten zwölf Monate einen MI oder Schlaganfall hatten, weisen eine deutlich geringere Lebensqualität auf als Personen ohne diese Erkrankungen. Die diesbezüglich größten Unterschiede finden sich beim körperlichen und psychischen Wohlbefinden, mit größeren Unterschieden bei Schlaganfallpatienten. Die direkten und indirekten Kosten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich werden für das Jahr 2015 auf rund 4,7 Milliarden Euro geschätzt. Rund 1,7 Milliarden entfallen auf die stationäre Versorgung, 600 Millionen auf die medikamentöse Behandlung, 1,2 Milliarden auf Produktionsausfälle aufgrund von Mortalität und Morbidität und rund eine Milliarde auf die informelle Betreuung und Pflege von Menschen mit HKE.
Screening kann Folgeschäden verhindern
„Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen nicht nur erhebliches Leid, sondern auch immense Kosten“, betont Univ.-Prof. Dr. Jörg Heckenkamp, Direktor des Zentrums für Gefäßmedizin am Marienhospital Osnabrück und Präsident der DGG. Es ist daher richtig und wichtig, die Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen verstärkt in den Blick zu nehmen. Bei der Betrachtung kardiovaskulärer Erkrankungen dürfe jedoch nicht allein das Herz im Fokus stehen, argumentieren die DGG-Experten. Gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften plädieren sie dafür, die Gesetzesinitiative um Früherkennungsmaßnahmen für Erkrankungen der peripheren Gefäße – speziell in den Beinen – zu ergänzen. „Wir empfehlen ausdrücklich, die periphere arterielle Verschlusskrankheit pAVK samt geeigneten Screening-Maßnahmen in den Gesetzesentwurf einzubeziehen“, betont Heckenkamp. Oft schreitet die pAVK jahrelang unerkannt voran, weil sie erst spät Beschwerden verursacht. „Es gibt jedoch eine einfache und kostengünstige Screening-Methode, um eine pAVK frühzeitig zu erkennen – den Knöchel-Arm-Index, international auch als Ankle-Brachial-Index ABI bezeichnet“, erläutert Heckenkamp. Zu dessen Messung wird per Doppler-Ultraschall der Blutfluss in den Arm- und Beingefäßen bestimmt und zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dieses Screening sollte gemäß der Leitlinie zur pAVK – deren Aktualisierung in Kürze veröffentlicht wird – insbesondere Menschen mit Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Übergewicht, Tabakkonsum, Alkoholmissbrauch oder einem erhöhten Cholesterin-spiegel angeboten werden. Sie entwickeln besonders häufig eine Arterienverkalkung nicht nur in den Beinen, sondern im ganzen Körper. Menschen, bei denen sie sich als koronare Herzkrankheit, KHK, manifestiert hat, profitieren ebenfalls von der ABI-Messung. „Der Index ermöglicht bei KHK eine bessere Risikoabschätzung und dient zugleich der Kontrolle des Choles-terinspiegels“, betont Heckenkamp. Auffällige ABI-Werte sollten in jedem Fall Anlass sein, die betreffenden Patienten in Präventionsangebote wie Gefäßsportgruppen oder Programme zur Raucherentwöhnung und Gewichtsreduktion einzubinden oder medikamentös mit Aspirin und Statinen zu behandeln. rh
Für die Behandlung von rheumatoider Arthritis (RA) steht heute eine Vielzahl wirksamer Medikamente zur Verfügung, doch bisher fehlen geeignete Strategien für die Wahl der bestmöglichen Therapie für einzelne Patienten. In einer umfassenden wissenschaftlichen Übersicht unter Federführung des Rheumatologen Dr. Daniel Aletaha, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien, wurde nun ein Modell entwickelt, das die individuellen Bedürfnisse der Patienten und deren gesundheitliche Situation in den Mittelpunkt stellt.
Die wesentlichen Alleinstellungsmerkmale der Medikamente liegen jedoch nicht in der Wirksamkeit, sondern in ihrem Sicherheitsprofil. So ist etwa für Menschen mit RA und gleichzeitiger Herzinsuffizienz eine andere Medikation die „beste“ als für RA-Patienten mit rezidivierender Gürtelrose. Diese und weitere Bausteine einer individuell optimalen Behandlung werden im Modell strukturiert dargestellt. Seine Anwendung in der klinischen Praxis könnte zu einem Prozess führen, den die Autoren als „therapeutisches Matchmaking“ bezeichnen.
Gesamter Artikel: www.nature.com/articles/s41584-024-01169-7