Autorin: Mag. Iris Kraft-Kinz, Steuerberaterin, Unternehmensberaterin MEDplan,
iris.kraft-kinz@~@medplan.at, www.medplan.at
Sobald der Arzt für seine Ordination ein Wirtschaftsgut einkauft, stellt die darauf entfallende Umsatzsteuer einen Kostenfaktor dar, da er in der Regel nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Bezieht er diese Güter aus dem EU-Raum, so kann die Belastung mit einem niedrigen ausländischen Umsatzsteuersatz eine Kostenersparnis bedeuten. Ob ihm dieser Vorteil zuteil wird, hängt einerseits von der Höhe der Einkäufe aus der EU und andererseits dem Steuersatz in den jeweiligen Mitgliedsstaaten ab.
Erwerbsschwelle einhalten
Mit österreichischer Umsatzsteuer wird der Arzt jedenfalls belastet, wenn seine Anschaffungen aus dem EU-Raum die sogenannte Erwerbsschwelle von 11.000 Euro netto überschreiten. In dieser Erwerbsschwelle sind verbrauchssteuerpflichtige Waren wie zum Beispiel Wein und Neufahrzeuge nicht miteinzubeziehen. Für die Bestimmung der Erwerbsschwelle sind sämtliche Einkäufe aus allen Mitgliedsstaaten im Vorjahr bzw. im laufenden Jahr zusammenzurechnen.
Falls der Arzt im vorangegangenen Jahr und im laufenden Kalenderjahr diese Erwerbsschwellen von 11.000 Euro netto nicht überschreitet, ist der jeweilige Steuersatz in jenem Mitgliedsstaat ausschlaggebend, in dem der Einkauf getätigt wurde. Aus umsatzsteuerlicher Sicht gilt er in diesem Fall als Schwellenerwerber, für den beim Einkauf im EU-Ausland die gleichen Regelungen gelten wie für Privatpersonen. In der Praxis sind die meisten Ärzte Schwellenerwerber. In Folge wird eine Lieferung aus dem EU-Ausland grundsätzlich im Ursprungsland besteuert, sofern der ausländische Lieferant die Lieferschwelle in Österreich nicht überschritten hat.
Beispiel: Dr. Hofer kauft ein Gerät im Wert von 5.000 Euro in Deutschland. Der deutsche Lieferant liefert die Ware nach Österreich und stellt ihm eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer in Höhe von 19 % aus. Als Schwellenerwerber benötigt Dr. Hofer keine UID-Nummer, was ihm eine zusätzliche administrative Belastung erspart. Sollte der Steuersatz im Mitgliedsstaat – wie dies hier der Fall ist – niedriger als in Österreich sein, ist dies für den Arzt günstiger.
Steuersätze in den einzelnen Mitgliedsstaaten im Jahr 2024
Belgien 21 %
Dänemark 25 %
Deutschland 19 %
Frankreich 20 %
Griechenland 24 %
Irland 23 %
Italien 22 %
Luxemburg 17 %
Niederlande 21 %
Portugal 23 %
Schweden 25 %
Spanien 21 %
Höherer Steuersatz im EU-Ausland
Ist der Umsatzsteuersatz allerdings höher als in Österreich, wie etwa in Schweden, Dänemark und Italien, so hat der Arzt die Möglichkeit, auf die Erwerbsschwelle zu verzichten. Dies muss er schriftlich dem Finanzamt mitteilen. In diesem Fall benötigt er eine UID-Nummer, die er seinem Lieferanten bekanntgibt. Dieser wird die UID-Nummer überprüfen und dann eine Rechnung ohne Umsatzsteuer über eine steuerfreie „innergemeinschaftliche Lieferung“ legen.
Der Verzicht bindet den Arzt für zwei Kalenderjahre. Der Widerruf dieses Verzichts kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres erfolgen und ist dem Finanzamt innerhalb der Frist zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung jenes Voranmeldungszeitraums, in dem erstmals ein Erwerb getätigt worden ist, schriftlich zu übermitteln.
Der Arzt hat nunmehr in Österreich die sogenannte Erwerbsbesteuerung durchzuführen. Das bedeutet, dass er diesen Einkauf in der Regel mit „nur“ 20 % zu versteuern hat. Aufgrund seiner unechten Umsatzsteuerbefreiung ist er zwar nicht berechtigt, die Erwerbssteuer als Vorsteuer in Abzug zu bringen. „Gespart“ hat er aber trotzdem.
Falls die Erwerbe des Arztes aus dem gesamten EU-Raum mehr als 11.000 Euro netto betragen, ist er in Österreich zur Durchführung der Erwerbsbesteuerung verpflichtet. Er muss sich umsatzsteuerlich registrieren lassen und den Erwerb von Geräten oder Waren aus dem EU-Ausland versteuern. Dabei erhält er eine UID-Nummer, die er gegenüber seinen EU-Lieferanten verwenden muss. Diese stellen ihre Rechnungen ab diesem Zeitpunkt ohne Umsatzsteuer mit dem Vermerk „innergemeinschaftliche Lieferung“ aus.
Beispiel: Ein österreichischer Arzt, der nur unecht steuerbefreite Umsätze ausführt, kauft am 3. Februar 2024 eine EDV-Anlage in Deutschland im Wert von 12.000 Euro. Da er die Erwerbsschwelle überschreitet, wird der Kauf als innergemeinschaftlicher Erwerb behandelt. Der Arzt muss seine UID vorweisen und der Lieferant stellt ihm eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus. Der Arzt hat anschließend in Österreich die Erwerbsbesteuerung durchzuführen und die 20 % Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Ein Vorsteuerabzug ist aufgrund der unechten Umsatzsteuerbefreiung nicht möglich.
Vorsicht Fallstrick
Solange der Arzt die Erwerbsschwelle aus Einkäufen im EU-Ausland nicht überschreitet, ist die Angabe der UID-Nummer nicht erforderlich. Problematisch und vor allem sehr teuer wird es, wenn er diese Schwelle überschreitet und seinem Geschäftspartner keine UID bekannt gibt. Denn dann legt der Lieferant eine Rechnung mit ausländischer Umsatzsteuer und zusätzlich ist der Arzt verpflichtet, in Österreich die Erwerbsbesteuerung mit 20 % durchzuführen, wobei keinerlei Möglichkeit zum Vorsteuerabzug besteht. In diesem Fall sollte er daher dem Lieferanten immer seine UID-Nummer bekanntgeben.
Ausführen steuerpflichtiger Umsätze
Falls ein Arzt neben unecht umsatzsteuerbefreiten Umsätzen wie Heilbehandlungen auch steuerpflichtige Umsätze ausführt, wie etwa die Vermietung einer Vorsorgewohnung, bestimmte Gutachten oder Vortragstätigkeiten, verliert er die Eigenschaft als Schwellenerwerber. Ab diesem Zeitpunkt wird er wie ein „echter“ Unternehmer behandelt und muss beim Erwerb im EU-Ausland seine UID-Nummer vorzeigen. Einkäufe aus dem EU-Ausland unterliegen dann der Erwerbsbesteuerung im Inland und müssen dem Finanzamt offengelegt werden.