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Dr. Peinbauer / Johannes-Kepler-Universität: Forschung – Wie viel Wissenschaft steckt in der Homöopathie?

Immer wieder stellen selbst ernannte Experten in Sachen Komplementärmedizin die Homöopathie infrage. Der richtige Umgang mit derartigen Aussagen ist es, sich an wissenschaftlichen Arbeiten zu besagtem Thema zu orientieren.

Autor:
Dr. Thomas Peinbauer, Arzt für Allgemeinmedizin, Mitbegründer des integrativen Primärversorgungszentrums „Hausarztmedizin Plus“ in Haslach a. d. Mühl und des Praxisnetz Homöopathie Linz, Univ. Ass. am Institut für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität, Linz
www.hausarztmedizinplus.at
www.praxisnetz-homoeopathie.at

Jüngste Diskussionen haben es wieder gezeigt: Die Homöopathie ist nach wie vor ein heißes Thema, das Emotionen – auch in den eigenen Reihen – hervorruft. Eine sachliche Herangehensweise an die Komplementärmedizin ist aber längst Usus unter den Kollegen. Die Wirksamkeit der Homöopathie ist durch qualitativ hochwertige Forschungsarbeiten belegt. Auch in der Grundlagenforschung wurde eine beträchtliche Anzahl von aussagekräftigen Experimenten durchgeführt, die spezifische Wirkungen homöopathischer Arzneimittel nachweisen konnten.

Lange Tradition

Wesentlich ist, dass man versteht, dass Medizin keine reine Naturwissenschaft, sondern eine Handlungswissenschaft ist. Die Medizin soll primär helfen, die Adaptionsfähigkeit des Menschen bzw. Lebewesens auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene zu stärken oder wiederherzustellen, dies definiert Gesundheit. Die wissenschaftliche Medizin bedient sich dazu naturwissenschaftlicher Fächer, steht aber auf der breiten Basis der Erfahrungsmedizin. Bestimmte komplementärmedizinische Methoden haben eine sehr lange Tradition. Die TCM oder auch Ayurveda blicken auf etwa 5.000 Jahre Entwicklungsgeschichte zurück. Europäische Medizinsysteme wie die Homöopathie haben mittlerweile 200 Jahre hinter sich.

Randomisierte, (placebo-)kontrollierte Studien (RCT) gelten als „Goldstandard“ der klinischen Forschung. Ergebnisse aus RCTs sind aufgrund ihrer strengen, auf die Studienpopulation angewendeten Ein- und Ausschlusskriterien und des begrenzten Untersuchungszeitraums aber nur eingeschränkt auf den klinischen Alltag übertragbar. So werden zum Beispiel häufig Kinder und Patienten mit mehreren Erkrankungen von solchen Studien ausgeschlossen. Für sie können Medikamente oftmals nicht evidenzbasiert ausgewählt werden, weil entsprechende Studien fehlen.

Versorgungsforschung zeigt positive Ergebnisse

Aus diesem Grund sind auch Studien bedeutsam, die die Wirksamkeit von Therapien unter den realen Gegebenheiten der Krankenversorgung in der Praxis untersuchen. Es handelt sich dabei um sogenannte Kohorten- oder Beobachtungsstudien. Die Ergebnisse dieser als „Versorgungsforschung“ bekannten Richtung belegen in Bezug auf verschiedene Krankheitsgebiete einheitlich, dass Patienten unter homöopathischer Therapie klinisch relevante Verbesserungen ihrer Symptome sowie einen Zugewinn an Lebensqualität verzeichnen. Insbesondere die Nebenwirkungen betreffend gibt es bei homöopathischer Behandlung signifikant weniger negative Rückmeldungen der Patienten. Die Mehrzahl der vorliegenden gesundheitsökonomischen Studien zur Homöopathie fand gesundheitliche Verbesserungen, die denen der konventionell behandelten Kontrollgruppe, sofern vorhanden, äquivalent waren.

Auf der Grundlage der Evidenzbasierten Medizin (EBM) gelten systematische Reviews und Meta-analysen von hochwertigen randomisierten, kontrollierten Studien als die zuverlässigsten Erkenntnisse über die Wirksamkeit eines Therapieverfahrens. Sowohl Homöopathiebefürworter als auch Kritiker berufen sich daher häufig in der Argumentation ihrer jeweiligen Position auf derartige Übersichtsarbeiten. Aktuell konnten Hamre et al. in einem systemischen Review zu allen sechs vorhandenen Metaanalysen von Placebo-kontrollierten Homöopathiestudien für jegliche Indikation belegen, dass Homöopathie signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zu Placebo zeigt.

Erhöhte Lebensqualität

Studien, die auf aktuellen wissenschaftlichen Standards beruhen, zeigen, wozu Homöopathie beitragen kann. Weltweit machen Homöopathen in der Praxis die Erfahrung, wie sehr Patienten von (begleitenden) homöopathischen Behandlungen bei akuten und chronischen Erkrankungen profitieren können.

Homöopathie steht daher nicht in Konkurrenz zur konventionellen Therapie, sondern ergänzt diese und kann die Lebensqualität erhöhen. Diese Beobachtungen erhielten in den überzeugenden Studien von Frass et al. eine wissenschaftliche Bestätigung, die sich auch in der Aufnahme der Homöopathie in die entsprechende S3 Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten widerspiegelt.
Der im Mai 2016 von der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom) publizierte Forschungsreader war die erste Publikation, in der der Stand der Homöopathieforschung umfassend zusammengefasst wurde. In diesem Bericht werden die Forschungsbereiche Versorgungsforschung, randomisierte kontrollierte klinische Studien, Metaanalysen und Grundlagenforschung zusammenfassend dargestellt. Der Forschungsreader kann auf der
WissHom-Website www.wisshom.de/wisshom-forschungsreader-und-faq kostenlos in deutscher und englischer Sprache heruntergeladen werden. Eine weitere gute Orientierung bietet die Website des Homeopathic Research Institute (HRI) www.hri-research.org.

Reduzierter Einsatz von Antibiotika

Neben Studien zum Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie bei Infektionen zeigen Daten aus der Versorgungsforschung das Potenzial einer signifikanten Reduktion des Antibiotikaeinsatzes durch homöopathische Behandlungen. In diesem Kontext ist es erfreulich, dass auch der Gesetzgeber in der aktuellen Novelle des Tierarzneimittelgesetzes der Forderung der EU Bio-Verordnung nach primärer Anwendung von Homöopathie in Biobetrieben Rechnung getragen hat. Nicht zuletzt aufgrund der globalen Bedrohung durch die Antibiotikaresistenzproblematik bedarf es in der Human-Homöopathie genau wie in der Veterinär-Homöopathie dringend weiterer methodisch hochwertiger Studien. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die vorherrschenden Lieferverzögerungen ein nicht unwesentlicher Faktor. Grund dafür ist unter anderem die Konzentration der Roh- und Wirkstoffproduktion in den Händen von immer weniger Anbietern. Auch die weltweit steigende Nachfrage nach bestimmten Antibiotika ist ein Grund für regelmäßig auftretende Engpässe. Hier könnte die Homöopathie einen Beitrag leisten.

Abschließend sei zu erwähnen, dass in der aktuellen Forschung die Homöopathie meist als komplettes Therapieverfahren (Anamnese, Arzneimittelgabe, Follow-up-Gespräch usw.) untersucht wird. Sie erlaubt daher keine direkten Kausalschlüsse auf die spezifische Wirksamkeit einzelner homöopathischer Arzneimittel. Diese ganzheitliche Sichtweise ist ein wesentlicher Teil der Komplementärmedizin und wird von allen Homöopathen getragen und gelebt.

Aufgrund der aktuell vorliegenden Ergebnisse aus der Versorgungsforschung, den randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien, den Metaanalysen und der rezenten systematischen Überblicksstudie kann die Homöopathie vorläufig in jene Gruppe aller Interventionen eingeordnet werden, die vermutlich hilfreich sind, aber besser erforscht werden müssen. Dazu gehören übrigens 43 % aller medizinischen Interventionen.

Quellen:
www.hri-research.org/resources/homeopathy-faqs/scientific-evidence-for-homeopathy/
www.wisshom.de/whwp/wp-content/uploads/2022/05/Uebersicht-Homoeopathie-Forschung_23.02.2022-WissHomWebsite-AKTUELL-2.pdf

Hamre et al. Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomized placebo-controlled homoeopathy trials for any indication. Syst Rev 2023; 12(191) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37805577/

S3 Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patient*innen: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin

P. Weiermayer, M. Frass, T. Peinbauer, L. Ellinger. Evidenzbasierte Veterinär-/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick. Schweiz Arch Tierheilkd. 2020. Bd 162. Heft 10 https://sat.gstsvs.ch/de/sat/sat-artikel/archiv/2020/102020/evidence-based-%20homeopathy-and-veterinary-homeopathy-and-its-potential-to-help-overcome-the-%20antimic.html

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© istockphoto/Nata Golubnycha
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Dr. Thomas Peinbauer© ZVG