?Wo liegen für Sie aktuell die größten Herausforderungen in der Lehre, Forschung und Patientenbetreuung?
Eine der größten Herausforderungen ist die Finanzierung. Forschung in der Medizin erfordert oft teure Ressourcen und die Universitäten sind dazu angehalten, sich zusätzlich zum Globalbudget um angemessene Finanzierungsquellen zu bemühen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Spitzenforschung zu betreiben und hier vielleicht auch einmal unkonventionelle Wege gehen zu können. Wie in allen Bereichen stehen auch die Universitäten im direkten Wettbewerb um die besten Köpfe. Hier gilt es, an Strategien zu arbeiten, um attraktiv zu bleiben bzw. die Attraktivität zu erhöhen.
?Wo liegen für Sie die größten Stärken der Med Uni Graz?
In unseren bereits gut etablierten Forschungsfeldern Krebsforschung, Neurowissenschaften, Mikrobiom & Infektion und Stoffwechsel & Kreislauf sowie in kleineren Disziplinen, wie beispielsweise der Erforschung von Infektionen und Pilzerkrankungen, sind wir national wie auch international gut vernetzt. Was eine große Stärke der Med Uni Graz darstellt, ist die exzellente Lehr- und Forschungsinfrastruktur. Die direkte Verbindung des vorklinischen mit dem klinischen Bereich ermöglicht eine direkte Kommunikation mit kurzen Wegen und unterstützt die interdisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit maßgeblich. Durch die Schaffung von Core Facilities hat die Med Uni Graz schon früh auf ein innovatives Konzept gesetzt. Großgeräte für Wissenschaft und Forschung und das dafür nötige Fachpersonal stehen Forschern der gesamten Universität zur Verfügung, um so aktuelles Know-how mit höchster Qualität gewährleisten zu können. Auch die Kooperation BioTechMed-Graz – der Forschungsverbund von Universität Graz, TU Graz und Med Uni Graz im Bereich der Life-Sciences – ist eine Stärke am Standort und ermöglicht durch die Bündelung von Ressourcen einen großen Mehrwert.
?Wie zeitgemäß ist der MedAT? Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen?
Solche Aufnahmeverfahren wie den MedAT oder andere Regelungen zur Vergabe von Studienplätzen gibt es im Grunde überall. Es ist eine Tatsache, dass wir an der Medizinischen Universität Graz seit Einführung des gemeinsamen MedAT keinesfalls weniger Studienabschlüsse haben als vor dessen Einführung, da die Drop-out-Rate deutlich gesunken ist. Der MedAT ist auch so konzipiert, dass er primär die „Studierfähigkeit“ der Studienwerber abfragt. So kann auch davon ausgegangen werden, dass diese das Medizinstudium in der vorgesehenen Studiendauer abschließen und anschließend dem System als Mediziner zur Verfügung stehen. Es braucht ein objektives Aufnahmeverfahren für das Medizinstudium, das hat auch der Europäische Gerichtshof gefordert, weshalb in Österreich der MedAT eingeführt wurde. Im Vorjahr wurde der Testteil rund um Sozialkompetenzen ausgeweitet. Ein komplett freier Zugang zum Medizinstudium, wie er vor 2005 noch möglich war, ist in Anbetracht der Anzahl an Studienwerbern in Kombination mit Kleingruppenunterricht nicht mehr realistisch.
?Der Ärztemangel ist seit vielen Jahren ein Thema. Werden zu wenige Mediziner ausgebildet? Wo sehen Sie die größten Hürden, wo gibt es gute Lösungen?
Wovon ich wegkommen möchte, ist die Diskussion um einen angeblichen Mangel an Ärzten, da wir an unseren Universitäten, rein rechnerisch betrachtet, jedenfalls genügend Ärzte ausbilden bzw. in Österreich in Bezug auf die Einwohnerzahl wesentlich mehr Mediziner ausgebildet werden als in vergleichbaren Ländern. Wir stehen hier vielmehr vor einem Verteilungsproblem und schaffen es nicht, dass die jungen Kollegen dort ankommen, wo sie für die Versorgung gebraucht werden. In einigen Bereichen gibt es dazu schon sehr gute Initiativen, etwa die Schaffung von Anreizen, im ländlichen Raum als Allgemeinmediziner tätig zu werden. Auch die Einrichtung von Primärversorgungszentren zur Entlastung der Spitäler ist ein Modell, das unbedingt weiter ausgebaut werden muss, auch unter dem Aspekt, dass für Ärzte flexiblere Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitszeiten ermöglicht werden können, ohne das Angebot für Patienten zu kürzen, sondern dieses sogar zu verbessern. Ebenso müssen wir über eine Zentralisierung unserer Ressourcen sprechen und das zur Verfügung stehende Personal aller medizinischen Berufsgruppen effizient umverteilen. Es ist sicherlich zu hinterfragen, ob die vorhandenen Ressourcen in allen Bereichen hinsichtlich Effizienz bereits optimal eingesetzt werden und welche strukturellen Änderungen notwendig sind, um eine spitzenmedizinische Patientenversorgung sicherzustellen. Hier bin ich gerne bereit, an Lösungsansätzen mitzuarbeiten, umgesetzt werden kann das dann aber nur auf politischer Ebene.
?Welche Fächer sind besonders attraktiv, welche weniger?
Diese Frage lässt sich wohl nicht pauschal beantworten, da es stark von persönlichen Präferenzen und Befähigungen abhängt, welches Fach individuell als attraktiv betrachtet wird. In der Ausbildung unserer Studierenden ist es deshalb unser oberstes Ziel, einen breiten Einblick in alle medizinischen Disziplinen zu ermöglichen, um so die Studierenden dabei zu unterstützen, sich für die weitere Karriere festlegen zu können.
?Wie würden Sie die Stellung der Med Uni Graz im internationalen Vergleich beschreiben?
In unseren Forschungsfeldern Krebsforschung, Neurowissenschaften, Mikrobiom & Infektion und Stoffwechsel & Kreislauf ist die internationale Wahrnehmung durchaus gegeben, aber sicherlich noch ausbaubar. Mein Ziel ist es, durch nationale und auch internationale Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen, der Industrie und dem Engagement in internationalen Konsortien globale Forschungsinitiativen aktiv mitzugestalten. Graz ist ein toller Wissenschaftsstandort, auf den wir international stolz sein dürfen. rh
Über die Universität
An der Medizinischen Universität Graz forschen, lehren und lernen über 2.500 Mitarbeiter gemeinsam mit rund 5.000 Studierenden unter dem Leitmotiv „Pioneering Minds“ für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Patienten. Als Zentrum der Spitzenmedizin im Süden Österreichs ist die Med Uni Graz nicht nur eine Bildungseinrichtung, sondern auch ein attraktiver Lebensraum und Arbeitsplatz. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit wie auch nationale und internationale Vernetzung gewährleistet sie eine hochwertige medizinische Versorgung auf höchstem Niveau. www.medunigraz.at