Suizid: Wieso haben Frauen in Gesundheitsberufen ein erhöhtes Risiko?
Obwohl Suizid heute nicht mehr das Tabuthema ist, das es einst war, gestaltet sich der Umgang damit schwierig. Die meisten Ärzte kennen zwar Kollegen, die durch Suizid gestorben sind, aber die institutionalisierte Medizin setzt sich kaum mit diesem Phänomen auseinander.
Autorin: Mag. Claudia Zimmermann, MSc
Zentrum für Public Health, MedUni Wien, Abteilung für Epidemiologie, claudia.b.zimmermannmeduniwien.ac.at
Wer sich für den Arztberuf entscheidet, denkt naturgemäß über viele Faktoren nach, die einem das Arbeitsleben schwermachen können: vom Leistungsdruck über Arbeitszeiten bis hin zu schwierigen Patienten und administrativen Ärgernissen. Während für mögliche psychische Belastungen im Ärztedasein durchaus Bewusstsein vorhanden ist, bekommt Suizid als die letzte und extremste Konsequenz davon eher wenig Aufmerksamkeit.
Internationale Studien zeigen wiederholt, dass Ärzte und andere Gesundheitsberufe häufiger von Suizid betroffen sind, insbesondere Frauen. Auch wenn diese Ergebnisse nicht immer konsistent sind, so sind sie Anlass genug, nach den unangenehmen möglichen Gründen zu suchen – insbesondere, da die generelle Lebenserwartung von Ärzten üblicherweise höher ist als jene von vergleichbaren Berufsgruppen. Darin liegt nicht zuletzt auch eine ganz spezielle Tragik des Ärztesuizids, die sowohl für jene innerhalb als auch außerhalb des medizinischen Bereichs sichtbar ist: Jene, die andere heilen, sollten doch auch die eigene (psychische) Gesundheit gut zu behandeln wissen. Ist die heilende Profession tatsächlich vermehrt von Suiziden in ihren eigenen Reihen betroffen?
Studie der MedUni Wien
Im Rahmen einer Studie am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien wurden nun erstmals österreichische Daten analysiert, um das Suizidrisiko von Ärzten und anderen hochqualifizierten Berufsgruppen zu untersuchen. Dabei wurden Daten von verstorbenen Mitgliedern der jeweiligen Berufskammern (für den maximalen Zeitraum von 1986 bis 2020) mit der österreichischen Todesursachenstatistik abgeglichen, um die Anzahl der Suizide zu ermitteln, die dann altersstandardisiert und mit der männlichen oder weiblichen Bevölkerung verglichen wurden. Bei Betrachtung jener Todesfälle, die vor dem typischen Pensionsalter von 65 Jahren aufgetreten sind, finden sich bei den Ärzten deutliche Geschlechterunterschiede: Männliche Ärzte weisen ein signifikant niedrigeres Suizidrisiko als die männliche Bevölkerung auf, weibliche Ärzte hingegen ein signifikant höheres. Die Suizidrate weiblicher Ärzte ist etwa 60 % höher als jene der weiblichen Bevölkerung. Immerhin scheint sich dieser besorgniserregende Befund bereits zu verbessern, denn bei einer Analyse von Suiziden im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte zeigt sich, dass dieses Risiko für weibliche Ärzte früher noch deutlich höher war (etwa 170 % höher als in der weiblichen Bevölkerung).
Ein ähnlich stark erhöhtes Suizidrisiko für Frauen, nicht aber für Männer, wurde auch in anderen Gesundheitsberufen wie Zahnärzten und Apothekern festgestellt. Nur in einem Beruf waren auch Männer deutlich stärker von Suizid betroffen: Männliche Tierärzte sterben doppelt so häufig an Suizid wie Männer aus der österreichischen Bevölkerung, weibliche Tierärzte fast dreimal so häufig wie Frauen aus der Bevölkerung. Unter allen betrachteten Berufsgruppen war das Suizidrisiko für Tierärzte damit am höchsten.
Diese Ergebnisse sind deshalb besonders auffallend, da Personen in hochqualifizierten Berufen durch ihre hohe Bildung und ihr höheres Einkommen eigentlich ein tendenziell niedrigeres Suizidrisiko als die allgemeine Bevölkerung aufweisen. Das zeigte sich auch in dieser Studie bei den österreichischen Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern, wenn auch in den ersten beiden Berufsgruppen zu wenige Frauen für eine separate Analyse vorhanden waren.
Frauen in der Medizin
Wieso haben speziell Frauen in Gesundheitsberufen ein erhöhtes Suizidrisiko? Studienergebnisse aus verschiedenen Ländern legen nahe, dass hier unter anderem die Methode des Suizids eine Rolle spielt. Frauen greifen allgemein eher zu Vergiftungsmitteln wie Medikamenten, was aber in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig tödlich endet als etwa der Gebrauch einer Schusswaffe. Der berufsbedingt leichtere Zugang zu hochwirksamen Medikamenten und das entsprechende toxikologische Fachwissen machen Vergiftungen für Ärztinnen jedoch zu einer deutlich tödlicheren Suizidmethode. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Frauen in Gesundheitsberufen nach wie vor einer höheren geschlechtsbedingten Belastung ausgesetzt sind, wie etwa durch Diskriminierung, eine unfaire Verteilung von familiären Pflichten oder sexuelle Belästigung. Auch wenn sich die moderne Medizin als eine ursprüngliche Männerdomäne bereits stark gewandelt hat und mittlerweile deutlich mehr Frauen auch in höherrangigen Positionen vertreten sind, so gibt es immer noch einige Fachbereiche, Institutionen und Führungsebenen, in denen Frauen eine Minderheit darstellen.
Auch lässt die allgemeine Umgangsweise mit psychischen Problemen von Ärzten innerhalb der Medizin häufig noch zu wünschen übrig: Der Nimbus der unfehlbaren, übermenschlichen „Götter in Weiß“ ohne Schwächen und Krisen ist im täglichen klinischen Alltag immer noch spürbar, Unterstützungsangebote sind eher spärlich vorhanden, und Suizide unter Ärzten werden häufig noch stärker stigmatisiert als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Diese Mängel zeigen sich nicht nur in der Suizidproblematik, sondern auch an erhöhten Raten von depressiven Erkrankungen oder Burn-out unter Ärzten, wie sie in internationalen Studien bereits nachgewiesen wurden.
Welche Interventionen können helfen?
In Hinblick auf mögliche Ursachen und Einflussfaktoren auf das Suizidrisiko in Gesundheitsberufen gibt es noch viel Forschungsbedarf, insbesondere was potenziell nützliche Interventionsmaßnahmen betrifft. Basierend auf den Ergebnissen dieser österreichischen Studie erscheint es jedenfalls auch hier sinnvoll, das Bewusstsein für ein möglicherweise erhöhtes Suizidrisiko bei denjenigen zu schärfen, die primär davon betroffen sind: Neben den Personen, die in diesen Berufen tätig sind, betrifft dies auch jene, die mit Angehörigen dieser Berufsgruppen zusammenarbeiten, sie in welcher Kapazität auch immer professionell unterstützen oder physische wie psychische Gesundheitsfürsorge leisten. Auch wenn es kaum spezifische Suizidpräventionsstrategien für die betroffenen Berufsgruppen gibt, so bietet sich dennoch der Einsatz von diversen grundlegenden Methoden und Maßnahmen an, wie etwa ein verbessertes Angebot an niederschwelliger psychologischer Unterstützung in Krisen- oder Belastungssituationen, ein möglichst restriktiver Umgang mit letalen Substanzen sowie Initiativen zum Abbau von Tabus und Stigmata rund um psychische Gesundheit und Suizid.

Medizinische Leitung für die Interdisziplinäre Tagesklinik (m/w/d)
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt GmbH; 7000 Eisenstadt
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FACHARZT (m/w/d) FÜR INNERE MEDIZIN
TAUERNKLINIKEN GmbH; 5700 Zell am See
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Oberärztin/-arzt Kinder- und Jugendpsychiatrie
Landeskrankenhaus Hall / Tirol Kliniken; 6060 Hall in Tirol
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Fachärztin/-arzt für Anästhesie und Intensivmedizin
Universitätsklinikum Krems / NÖ Landesgesundheitsagentur; 3500 Krems an der Donau


