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Facharztausbildung: Engpass in der Psychiatrie

Das Fachgebiet Psychiatrie leidet unter Personalengpässen, die in den kommenden Jahren noch akuter werden, als sie ohnehin schon sind. ÄRZTE EXKLUSIV hat nachgefragt, was dagegen unternommen wird.


Foto: istockphoto/izusek

Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata. Foto: zvg

Österreich hat weniger Psychiater für Kinder, Jugendliche und Erwachsene als vergleichbare andere europäische Länder und liegt unter dem Durchschnitt der OECD-Länder, beklagte die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) in einer Stellungnahme zum gravierenden Personalmangel Anfang dieses Jahres.
Prekär ist die Lage bezüglich aller Aspekte – von zu wenigen aktiven Fachärzten im niedergelassenen und intramuralen Bereich über Kassenstellen bis zu Ausbildungsstellen und -ärzten. Psychiatrie ist ein Mangelfach. Es gäbe einige relativ rasch umsetzbare Verbesserungsvorschläge, von denen bislang nur wenige umgesetzt wurden.

Kaum Zahlenmaterial

Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der MedUni Wien sowie Past Präsident der ÖGPP, bedauert, dass valide Zahlen nicht zur Verfügung stehen. „Laut Ärztekammer-Statistik haben wir in Österreich rund 1.700 Psychiater – es gibt aber keine Informationen darüber, wie viele davon Vollzeit-Äquivalente sind. Das sind lediglich Köpfe. Wir wissen aber, dass über 1.000 Psychiater (60%) über 50 Jahre alt sind, 521 über 60 Jahre (30%) und 248 über 65 Jahre. Es liegt also auf der Hand, dass das Fach überaltert ist“, so Wancata. Entsprechend schwierig bis unmöglich sei es, eine Bedarfszahl zu nennen. „Etwa bis 2015 hatten wir genügend Fachärzte, dann ging es bergab. Dass ein großer Bedarf an neu ausgebildeten Psychiatern besteht, merken wir im Alltag. Auch wenn Patienten im Prinzip ambulant gut betreut werden könnten und keine stationäre Behandlung benötigen, so hat der niedergelassene Bereich oft Wartezeiten von mehreren Monaten – untragbar, wenn es zum Beispiel um suizidale Patienten geht“, sagt der Psychiater.
Auch Dr. Manfred Müller, MSc, Bundesfachgruppenobmann für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in der ÖÄK, bestätigt, dass auf allen Ebenen zu wenige Psychiater zur Verfügung stehen: „Im Bereich der Kassenversorgung, aber auch bei den Fachärzten in den Krankenhäusern – das führt zu langen Wartezeiten auf Erstgespräche und in der Folge zu massiven, regional unterschiedlichen Mängeln in der psychiatrischen Versorgung.“ Müller gibt an, dass es zu wenige Kassenärzte, Kassenstellen, Ausbildungsärzte und Ausbildungsstellen gibt – eine Problematik auf der ganzen Linie. Außerdem kritisiert auch er, dass die kolportierte Zahl von 1.700 Fachärzten trügerisch sei: „Die relevante Zunahme an Psychiatern in den letzten Jahren ist nicht versorgungsrelevant, da wir einen spürbaren Rückgang an Vollbeschäftigung und eine ebenso starke Zunahme an Teilzeitbeschäftigung zu verzeichnen haben“, sagt Müller. Der Trend geht eindeutig Richtung Teilzeit.

Veränderte Bedingungen

Darüber hinaus sind Zahlen aus 2020 und 2021 wenig brauchbar, da die Corona-Pandemie dem Fach zusätzliche Probleme beschert hat. Betten wurden umgewidmet und Patienten erschienen nicht zu Kontrollterminen, da sie keinen Test machen wollten oder schlichtweg Angst hatten. „Wie sehr Corona die Lage verändert hat, ist beispielsweise an den Suizidraten in Wien sichtbar: 2019 lagen sie bei 146 Suiziden, 2022 waren es 191. Gründe dafür sind sicher nicht nur der Facharztmangel, sondern natürlich auch die Krisen von Corona bis Jobverlust“, sagt Wancata.

Auch die ÖGPP bestätigt die veränderten Bedingungen in ihrer Stellungnahme: In den letzten Jahren haben die Herausforderungen für die psychiatrische Versorgung durch die Pandemie, durch die steigenden Zahlen von Flüchtlingen und aufgrund anderer Belastungen deutlich zugenommen.
Müller betont, dass es derzeit nicht nur insgesamt weniger verfügbare Psychiater gebe, sondern dazu komme der enorm zugenommene psychosoziale und psychiatrische Versorgungsdruck durch vermehrte Anfragen und steigende Inanspruchnahme psychiatrischer Kompetenz. „Die Zahl der nachkommenden Fachärzte wird nicht ausreichen, um die Abgänge auszugleichen und die vermehrte Nachfrage abzudecken. Derzeit wird sehr wenig Nachfrage bei den Arztstellen verzeichnet und zusätzlich gibt es noch Zugangshürden bei deren Besetzung“, beklagt Müller.

Kaum Lösungen umgesetzt

Dass spezielle Sonderfach-Schwerpunktausbildungen besonders gefragt seien, kann Wancata nur bedingt bestätigen. „Dazu gibt es ebenfalls keine Zahlen. Oft beruht die Wahl der Schwerpunktausbildungen auf einer pragmatischen Entscheidung. Wenn in einem Schwerpunkt eine kleinere Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung steht als Interessenten, dann kommt als erster dran, wer sich als erster meldet. Viele entscheiden sich dann lieber für einen anderen Schwerpunkt, als zu warten. Außerdem unterliegt auch die Wahl des Schwerpunktes Modewellen – wie in vielen Fächern“, gibt Wancata zu denken.
Einige konkrete Lösungsvorschläge der Bundesfachgruppe wurden dem Beirat für Psychosoziale Gesundheit im Gesundheitsministerium präsentiert, aber leider bislang noch nicht umgesetzt (siehe Kasten), berichtet Müller. Es gibt für ihn eine ganze Reihe von Zielen und Anliegen im Hinblick auf die problematische Versorgungslage: „Gesamtheitlich betrachtet geht es primär um einen niederschwelligen Zugang zur fachärztlich-psychia­trischen Versorgung für alle Betroffenen in allen Regionen Österreichs. Mittelfristig müssten die Wartezeiten von derzeit auf bis zu sechs Monaten auf Erstgespräche für Behandlungsplätze in Kassenpraxen auf maximal zwei Wochen verkürzt werden. Ähnliches gilt für Ambulanzen und stationäre Therapieplätze in den Krankenhäusern. Es braucht zudem eine personelle Verjüngung, um unser Sonderfach krisenfest und generationenüber-greifend in die nächsten Jahrzehnte zu führen.“

Die ÖGPP plädiert dafür, dass zumindest ein Engpass relativ leicht reduziert werden könnte, wenn der Zugang zum Doppelfacharzt – sowohl Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch Erwachsenenpsychiatrie – vereinfacht würde. So könnte in ländlichen Regionen eine bessere Versorgung gewährleistet werden. Außerdem sollte die 1:2-Regelung, die vor einigen Monaten für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeführt wurde, auch auf die Erwachsenenpsychiatrie und auf 1:3 ausgedehnt werden. Die Regelung würde bedeuten, dass nicht für jeden Arzt in Facharztausbildung ein Facharzt vor Ort verfügbar sein muss, sondern für zwei bis drei, wie dies auch im benachbarten Ausland üblich ist. bw

Lösungsvorschläge der Bundesfachgruppe, die prinzipiell rasch und einfach umgesetzt werden könnten

  • Rasche Umstellung des Ausbildungsschlüssels von 1:1 auf 1:2 (1 Facharzt kann zwei Ausbildungsärzte ausbilden)
  • Damit einhergehend Erhöhung der Zahl an Ausbildungsstellen und deren möglichst barrierefreie Vergabe
  • Gänzlich öffentliche Finanzierung der Fachärzteausbildung (ohne Eigenanteil) wie bei allen anderen Sonderfächern
  • Rascher Ausbau der Ausbildung in Lehrpraxen anhand der Vorschläge der Bundesfachgruppe (inkl. öffentlicher Finanzierungsschlüssel)
  • Sofortige Aussetzung/Abschwächung/Abschaffung der degressiven Honorar-abrechnung
  • Anreize auch für ältere Kollegen, länger im Krankenhaus oder in der Praxis zu arbeiten (auch als Kassenarzt)
  • Notmaßnahmen für Mangelregionen: u. a. durch vermehrte und möglichst niederschwellige Einbindung von Wahlärzten in die Regelversorgung, Verrechnungsübereinkommen mit Wahlärzten, zumindest vorübergehende Aussetzung des Patienten-Selbstbehalts
  • Finalisierung des gesamtösterreichischen ÖGK-Katalogs: z. B. „Probeläufe“ in Modellregionen

Mittelfristig:

  • Attraktivierung des Kassensystems mit modernen, leistungsadäquaten Honorierungs-, Niederlassungs- und Arbeitszeitmodellen
  • Attraktivierung der Gehaltssysteme und Arbeitszeitmodelle in den Krankenhäusern
  • Erweiterung um psychosoziale Kompetenzen beim Aufnahmetest zum Medizin-studium u. v. m.

Medizinische Leitung für die Interdisziplinäre Tagesklinik (m/w/d)

Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt GmbH; 7000 Eisenstadt

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FACHARZT (m/w/d) FÜR INNERE MEDIZIN

TAUERNKLINIKEN GmbH; 5700 Zell am See

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Oberärztin/-arzt Kinder- und Jugendpsychiatrie

Landeskrankenhaus Hall / Tirol Kliniken; 6060 Hall in Tirol

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Fachärztin/-arzt für Anästhesie und Intensivmedizin

Universitätsklinikum Krems / NÖ Landesgesundheitsagentur; 3500 Krems an der Donau

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